Meine Wahlanalyse in 10 Punkten

von CARL CHRISTIAN JANCKE

Komisch, dass niemand über die Rolle von Angela Merkel spricht. Die ewige Kanzlerin sitzt wie eh und je geschäftssführend im Kanzleramt und bereitet schon mal die nächste Weihnachtsansprache vor. Business as usual.

  1.  

Angela Merkel hat die CDU inhaltlich entkernt, personell ausgelaugt und nach links verschoben. Die bürgerlich-konservativen Wähler der AfD insbesondere im Osten zu ignorieren, war ein schwerer Fehler. Hätte die CDU/CSU ein konservativeres Profil, dann läge sie jetzt vor der SPD. 

  1.  

Merkel hätte spätestens nach der Wahl von Laschet zurücktreten müssen. Der wäre dann mit dem Kanzlerbonus ins Rennen gegangen. Hätte sich die SPD seiner Wahl verweigert, dann wäre Jamaika zum Zuge gekommen. Merkels hat Laschet ignoriert und in keiner Weise unterstützt. Das hat seine Kandidatur unmöglich gemacht.

  1.  

Laschet hat es nicht geschafft, die widerstrebenden Interessen und insbesondere die personelle Hinterlassenschaft Merkels zu neutralisieren. Er hätte putschen müssen. Seine taktischen Fehler  sind ausreichend beschrieben. 

  1.  

Die erfolgreiche Scholz-Kampagne täuscht über den desolaten Zustand der SPD hinweg. Kühnert hat ca. 50 Jusos in der Bundestagsfraktion. Warum sollte die SPD weniger einig sein und ihre Mitglieder weniger verantwortungslos und intrigant. Die Partei ist nicht regierungsfähig und wird so weitermachen. Ihre aussen- und sicherheitspolitischen Konzepte sind genauso weltfremd wie ihre witschaftlichen Konzepte wohlstandsgefährdet. Es gibt interessanterweise eine wesentliche Wählerwanderung von der Linken zur  SPD. 

Die grüne Volkspartei hat sich als Fata Morgana erwiesen. Es reicht nicht mal für eine Mehrheit im linken Lager. Dass Louisa Neubauer und FFF die Mehrheit hinter sich hätte, eine nicht eingetretene Fiktion. Drei Viertel der Erstwähler haben nicht Grün gewählt. Obwohl die Grünen am meisten zugelegt haben, leiden sie zwischen Anspruch und Wirrklichkeit. 

  1.  

Die FDP ist hinter ihren Möglichkeiten zurück geblieben. Auch hier gilt, dass eine Auseinandersetzung mit den Argumenten der AfD und das Werben um deren Wähler insbesondere im Osten notwendig bleibt. Nur wenn man hier falsche Programmatik widerlegt, ohne die Wähler als rechtsradikal mit dem Personal in einen Topf zu werfen, wird man einen wesentlichen Teil zurück gewinnen. Dazu sollte sich die Partei auch  offen gegenüber einst liberalen zeigen. 

7.

Ausser de FDP haben alle Parteien Direktmandate geholt. Das war früher das Privileg von SPD und CDU/CSU und zeugt von deren Verlust der Rolle als Volkspartei. Auffällig sind die vielen AfD-Direktmandate in Sachsen und Thüringen.  Das können nicht alles Abgehängte und alte weiße Männer sein. Es spricht vielmehr dafür, dass es ordentliche Kleinbürger mit einem richtigen Job sind, die sich für ihr vermeintlich antiquiertes Weltbild als “Ossis” diskriminiert fühlen. Fährt man wie ich in den letzten Wochen durch die ehemaligen DDR-Bezirke Magdeburg, Halle, Leipzig und Dresden, so unterscheiden sich Land und Leute nicht mehr wesentlich im Erscheinungsbild von Norddhessen, Südniedersachsen oder der schwäbischen Alb. Dass die AfD und der Osten in der Berichterstattung nicht vorkamen, dürfte dazu geführt haben, dass die AfD auch Besenstile hätte aufstellen können. 

8.

Es gibt ein Leben jenseits des Prenzlauer Bergs und von FFF. Menschen, die auf dem Land leben, morgens früh aufstehen, mit dem Auto zur Arbeit pendeln und einer ordentlichen Arbeit nachgehen. Die kommen in der veröffentlichten Meinung nicht vor und sie fühlen sich von den Volksparteien, die zusammen nicht mal mehr auf 50 Prozent kommen, im Stich gelassen. Jamaika oder die Ampel ermöglicht vielleicht einen neuen Pragmatismus und mehr Vielfalt. Politics by Weltuntergang, ob wegen Corona oder ob wegen des Klimawandels  hat in diesen Kreisen an Glaubwürdigkeit verloren. Sie richten sich wie in der DDR in ihrer Nische ein und sympathisieren mit “Fridays for Hubraum” oder “Land schafft Verbindung”. Wenn die Großspurigkeit unseres Gemeinwesens mal wiederr scheitert, setzen sie sich auf ihren Trecker und fahren ins Ahrtal, um zu helfen, so wie sie den Nachbarn mit zum Einkaufen nehmen, als Fußballtrainer der B-Jugend arbeiten oder am Wochenende beim Roten Kreuz Rettungswagen fahren. Sie kommen in der öffentlich-rechtlichen Welt nicht vor.

9.

Grün und Gelb werden gemeinsam entscheiden, mit wem sie koalieren. Laschet und Scholz haben da fast keine Aktien drin. Sie werden den Politikanteil und die Anzahl der Ministerämter maximieren wollen. Nachdem die CDU/CSU ja auch noch zusätzlich Laschets Autorität untergräbt und auch die bürgerliche Presse kein gutes Haar an ihm lässt und es seine letzte Chance ist, sich zu halten, wird es wohl auf Jamaika hinauslaufen. Aber sagen kann das keiner.

10.

Die Ampel wäre mir lieber. In Ihr würde die FDP das schlimmste verhindern und in der CDU/CSU könnte die Altmeier-Fraktion durch Leute wie Carsten Linnemann, Christina Köhler und Jana Schimke ersetzt werden. Gleichzeitig würde der JUSO-Block vermutlich für ein schnelles Ende sorgen. Auch Schmidt und Schröder sind an der SPD-Linken gescheitert, das wird bei Scholz nicht anders sein. 

Fazit

In Kombination mit den sich ändernden Mehrheitsverhältnissen in den Ländern bleibt der Stillstand ohnehin programmiert. Zu hoffen ist auf  eine pragmatische, technologieoffene Umwelt- und Klimapolitik mit mehr marktwirtschaftlichen Elementen wie dem Emissionshandel. Aber die Wirkung der FDP sollte nicht überschätzt werden. Sie verhindert vermutlich das Schlimmste. Mehr nicht.