Hat Roosevelt den zweiten Weltkrieg geplant?

von CARL CHRISTIAN JANCKE

Edgar Dahl hat ein Buch vorgelegt, in dem er die These vertritt, der US-Präsident Franklin D. Roosevelt habe aktiv den zweiten Weltkrieg geplant und ausgelöst, weil die von Roosevelt eingeführten Wirtschaftsreformen nach der Weltwirtschaftskrise “New Deal” die Arbeitslosen nur von 14 auf 10 Millionen reduziert haben. Ein Krieg in Europa sollte demnach die Wirtschaft in den USA ankurbeln. Dahl legt dafür offensichtlich in seinem Buch zahlreiche Dokumente vor, die seine Hypothese belegen.

Ich halte die Hypothese für abwegig. Sicher war Deutschland nicht alleine “schuld” an den historischen Ereignissen, die letztlich in den zweiten Weltkrieg mündeten. Doch die demokratisch legitimierten Nationalsozialisten spielten dabei eine tragende Rolle. Die USA hatten keinen ausreichenden Einfluß auf die Nationalsozialisten, um diese entweder zu motivieren oder aber abzuhalten. Die Anstrengungen Roosevelts, die Briten oder die Polen unter Druck zu setzen, die Dahl konstatiert, waren ohne Einfluß auf die Nationalsozialisten und deren Abscht.

Ideologische Grundlage für die Eroberung Osteuropas war seinerzeit die 1300seitige, zweibändiger Roman von Hans Grimm “Volk ohne Raum” von 1926. Der sah ursprünglich die Zukunft der deutschen eher in den deutschen Kolonien, die allerdings ja bereits im ersten Weltkrieg verloren gegangen sind. 

Die Nationalsozialisten bezogen diese Notwendigkeit eines neuen deutschen Lebensraums auf die “Ostgebiete”:
„Der natürliche Siedlungsraum des deutschen Volkes ist das Gebiet östlich unserer Reichsgrenze bis zum Ural, im Süden begrenzt durch Kaukasus, Kaspisches Meer, Schwarzes Meer und die Wasserscheide, welche das Mittelmeerbecken von der Ostsee und der Nordsee trennt.In diesem Raum werden wir siedeln, nach dem Gesetz, daß das fähigere Volk immer das Recht hat, die Scholle eines unfähigeren Volkes zu erobern und zu besitzen.[…] Ein solches politisches Ziel muß auf den deutschen Bauernhöfen von Mund zu Mund weitergereicht werden, muß auf unseren Bauernschulen eine selbstverständliche Grundlage des Unterrichts sein. Dann wird auch eines Tages das Volk denjenigen Staatsmann folgen, der die sich ihm bietenden Möglichkeiten ergreift, um unserem Volke ohne Raum den Raum nach dem Osten zu öffnen.“[2]

Zitiert Wikipedia den Reichsbauernführer Walther Darrée in 1936. Es wäre sicher möglich, auch andere Zitate zu finden. Von meiner Großmutter (1895-1988) meinem Vater (1924-2018) und meiner Mutter (geb. 1925) weiß ich, dass darum von den Nationalsozialisten auch kein Aufhebens gemacht wurde. Deutschlands Zukunft lag im Osten.

Am 5. November 1937 fand unter führenden Persönlichkeiten, Ministern und Generälen der Reichsregierung und der Wehrmacht eine Konferenz statt, die ursprünglich der Stahlkontigentierung zur besseren Versorgung etwa des Kriegsschiffbaus dienen sollte. Hitler hielt einen mehrstündigen Monolog, nachdem sich eine heftige Diskussion entspann. Die Inhalte sind von Oberst Friedrich Hoßbach, Adjutant Adolf Hitlers, aufgezeichnet worden. Der teilnehmende Außenminister von Neurath und weitere wurden abgelöst oder traten zurück, weil sie in der folgenden Diskussionn gegen Hitlers Kriegspläne Stellung bezogen hatten. Die Mitschrift war Beweismittel in den Nürnberger Prozessen, um die Planung eines Angriffskriegs nachzuweisen. Hossbach zitiert Hitler: 

“Somit handele es sich um das Problem des Raumes….  Zur Lösung der deutschen Frage könne es nur den Weg der Gewalt geben.”

“Zur Verbesserung unserer militär-politischen Lage müsse in jedem Fall einer kriegerischen Verwicklung unser 1. Ziel sein, die Tschechei und gleichzeitig Österreich niederzuwerfen, um die Flankenbedrohung eines etwaigen Vorgehens nach Westen auszuschalten.“

Dies korrespondiert mit einer Aufzeichnung eines Abendessens  des Generalleutnants Curt Liebmann vom 03. Februar 1933, in dem Adolf Hitler als frisch berufener Reichskanzler von einem Expansions-Programm von der Gewinnung des Lebensraums im Osten sprach. 

Neben der Gewinnung von Lebensraum verfolgte Hitler ein zweites Kriegsziel: Die Endlösung der Judenfrage. Diese Hypothese entstammt im Grunde der Biographie “Anmerkungen über Hitler” von Sebastian Haffner. 

Wie angekündigt schloss Deutschland die österreichische  (Anschluss März 1938) und die tschechische Flanke (Sudetenland, Münchner Konferenz, Annexion der Tschechoslowakei). Bereits mit der Annexion der Tschechoslowakei verstieß Hitler gegen das Münchner Abkommen. Und nach den (in Zweifel gezogenen) Bormann-Protokollen soll er 1945 geäußert haben, weil München alle seine Forderungen erfüllt habe, hätte er den Krieg nicht schon 1938 beginnen können. 

Roosevelt und die USA waren ohne Einfluß auf Deutschland. Die USA hätten weder Hitlers Strategie befördern noch eingrenzen können. Die von Dahl zitierten Dokumente und Ereignisse waren für den Beginn des zweiten Weltkriegs ohne jede Relevanz. Das wären sie nur gewesen, wenn die USA Hitler oder die Nationalsozialisten beeinflußt hätten oder hätten können. Zum Krieg musste Deutschland aber niemand treiben.


Dahl stellt auf die von ihm aufgefundenen “Dokumente” ab, die die Verwicklung der USA in die Auslösung des Krieges beweisen würden. Sie mögen die Intension belegt haben, zum eigenen Nutzen in die Entwicklung einzugreifen. Einfluß hatten sie nicht.

Die Position der USA muss darüber hinaus in den zeitlichen Kontext eingeordnet werden. Man hatte versucht, Hitler durch das Abkommen von München zu mäßigen, um einen Krieg zu verhindern. Hitler hielt sich nicht daran und annektierte gleich die ganze Tschecheslowakei und nicht “nur” das “Sudetenland”.

Deshalb gab es in der öffentlichen Diskussion in Großbritannien aber sicher auch der USA ernstzumeinende Stimmen, die Hitler stoppen wollten, bevor die Aufrüstung der Wehrmacht gänzlich abgeschlossen war. Nach der Hoßbach-Niederschrift hat er selbst den Zeitpunkt erst 1942/43 als erfüllt gesehen zu haben.