von CARL CHRISTIAN JANCKE

Wenn sie nicht an ihrem offensichtlichen Dilettantismus untergeht, wird sich die Koalition durch die Legislaturperiode retten. Ob mit oder ohne Angela Merkel ist die Frage. Chemnitz hat gezeigt, dass die Synapsen des politischen Establishments arg verklebt sind und die Welt nur noch als Vorstellung wahrnehmen. Nicht mal mehr als Willen. Die Systemkrise ist offenbar. 

1.

Medien und Politik sind gemeinsam auf eine Antifa-Propaganda-Aktion reingefallen. Wie in Sebnitz, vor 18 Jahren, als Neonazis einen kleinen Jungen ersäuft haben sollten, sind bei Politikern und Journalisten alle Sicherungen durchgebrannt. Ossis sind rechts und die Steigerung von Ossis sind Sachsen. Dabei entpuppte sich das regierungsamtlich verbreitete Bild von den Zusammenrottungen und Hetzjagden der sächsischen Nazis als Fiktion.

 

2.

Dieses Versagen ist getrieben von der hysterischen Angst des Establishments vor einer dämonisierten AfD. Weil die offensichtliche Flüchtlingskriminalität deren Wahlchancen steigern soll, wird sie verschleiert und relativiert, wo sie nicht zu leugnen ist. Das ist so offensichtlich, dass sich der Chefredakteur der Tagesschau dafür vergeblich verteidigen muß,  wobei ihm seine Irrtümer von einem grünen Oberbürgermeister vorgehalten werden: Kai Gniffke hatte bestritten, dass Messermorde und Messermordversuche ein signifikantes Merkmal von Flüchtlingskriminalität sind.

 

3.

Mit jedem derartigen Versuch, der im Zeitalter der sozialen Medien zum Scheitern verurteilt ist, passiert genau das Gegenteil dessen, was beabsichtigt ist. Immer mehr Menschen fühlen sich getäuscht (um sich gewählt auszudrucken) und wenden sich mit Abscheu vom Establishment ab, das so die AfD bein Bürger erst richtig hoffähig macht. An der Spitze der Bewegung steht die Kanzlerin, die mit der Fiktion der Hetzjagd vom einfachen Mord und zweifachen Mordversuch von Chemnitz ablenken wollte, wie der treue Staatsdiener Hans-Georg Maaßen richtig konstatierte. Der hatte nicht vergessen, dass er seinen Amtseid auf das deutsche Volk und nicht seine Regierung geleistet hatte.

 

4.

Die Dummheit Andrea Nahles hat den Zustand der Großen Koalition aber auch des gesamten Establishments offenbart. Das hat keine Krise, es ist eine. Die SPD hätte nie Maaßens Ablösung fordern dürfen. Aus sachlichen Gründen sowieso, aus taktischen in jedem Fall. Denn Seehofer konnte dieser Forderung nie zustimmen. Das hätte man auch vorher wissen können. Das offenbarte, dass nicht nur CDU und CSU krisenhafte Auflösungserscheinungen zeigen, sondern dieser Prozess bei der SPD  weit fortgeschritten ist. Es stellt sich nur noch die Frage nach der Unumkehrbarkeit. Die ehemalige SPD-Oberbürgermeisterin von Kiel und Welt-Journalistin Susanne Gaschke hat festgestellt: “Parteien können auch verschwinden”.

 

5.

Das “Schuldeingeständnis” der Bundeskanzlerin übertrifft die Rechtfertigungsversuche der SPD-Vorsitzenden bei weitem. Sie konstatierte, dass Maaßen nicht effektiv genug beseitigt wurde und hat mit dieser “Frontbegradigung” ihre wohl vorsätzliche Falschdarstellung der Ereignisse von Chemnitz verschleiert. Die Hauptstadtpresse geriet angesichts der ersten Selbstkritik der 13 Jahre regierenden Kanzlerin in Verzückung.  Der Realitätsverlust gepaart mit der Angst um die eigene Macht ist ein schlechter Ratgeber.

 

6.

Die Grünen freuen sich über ihre Siege in der Demoskopie, die sie in Wahrheit nur dem Untergang der Sozialdemokratie, der das Heilsversprechen verlorgen gegangen ist, verdanken. Die SPD hat übersehen, dass in der Gesellschaft nicht die Hartz IV Empfänger in der Mehrheit sind sondern die Mittelschicht, der sie das Geld aus der rechten Tasche ziehen will,  um den nach Abzug der Bürokratiekosten und Demokratieabgaben verbliebenen Rest generös in die rechte zu stecken. Die unter einer Steuer- und Sozialabgabenlast ächzende  Mittelschicht hat das Spiel längst durchschaut und denkt an die absurde Dieselkrise und den Wertverfall des eigenen Wagens bei jedem Schlagloch, das sein Auto aus der maroden Infrastruktur aun den Fahrersitz weiter gibt.

Das grüne Heilsversprechen “Klima- und Umweltschutz” begeistert Teile des ehemals SPD wählenden Bürgertums, weil es ein so gutes Gewissen schafft. In Wahrheit ist es schlimmster Strukturkonservativismus, weil es die Welt eben so konservieren will, wie sie ist. Eine Evolution wie in den Milliarden Jahren vorher findet nicht statt.

Bei den guten Umfragewerten übersieht allerdings die veröffentlichte Meinung, dass die Grünen demoskopische Scheinriesen sind: Ihre Wahlergebnisse sind stets viel schlechter als die in den Umfragen. Solange das ökologische Gewissen mit dem Diesel-SUV kompatibel war, war das Wachstum ungebrochen.

 

7.

Die Lindner-FDP versagt in ihrer Rolle als Rechtsstaatspartei, die sich für die Wiederherstellung des Gewaltmonopols und die Lösung der Flüchtlingskrise präsentiert. Der Liberalismus ist das politische Konzept des Internet-Zeitalters, in dem Wissen zum beherrschenden Faktor geworden ist. Zwar opponiert sie gegen die privatisierte Internetzensur, will aber  gleichzeitig sozialdemokratische Industriepolitik betreiben. Noch 2016 forderte sie die Einführung einer jahrzehntealten Technologie: “W-Lan für alle”. Und heute glaubt sie, mit der milliardenteuren Verkabelung von Glasfaser das Heil des Landes zu befördern, statt dem Markt die effizientesten Lösungen zu überlassen.  Schließlich kann auf dem flachen Land auch der nächste oder übernächste Mobilfunkstandard die in die Erde verbuddelten Milliarden überflüssig machen. Als ordnungspolitisches Gewissen der politischen Sphäre versagt sie vollkommen, Vorschläge für eine liberal getriebene Reform der EU sind nicht erkennbar. Stattdessen wirft sie sich dem Sozialisten light Macron an den Hals.

8.

Die Dämonisierung der AfD ist deren Existenzgarantie und treibt ihr immer mehr Wähler in die Arme. Der Chemnitz-Maaßen-Komplex und die tatsächlich mangelnde Selbstkritik in Politik und Medien wirkt dabei wie ein Brandbeschleuniger.

In dieser Konstellation braucht die Partei einfach nur nicht allzu viele Fehler zu machen. Die Entwicklung nimmt ihr den Druck, sich von Rechtsauslegern zu trennen und sich als Rechtsstaatspartei zu sozialisieren.

Nicht alles was die AfD konstatiert ist falsch, nur weil es von der AfD kommt. Nicht alles, was die Partei fordert, ist falsch, weil es von ihr kommt.

Ihre Ausgrenzung verachtet ihre Wähler. Unter denen finden sich nicht nur verkrachte Existenzen, sondern auch viele ganz normale Bürger, denen die Merkel-CDU nicht konservativ genug ist. Sie wollen nicht mit ihren “Sorgen ernst” genommen werden, sondern dass die Politik die negativen Folgen der Flüchtlingskrise beseitigt und im Parlament auch konservative Stimmen nicht als “Rechts” verächtlich gemacht werden.

 

9.

Die Staats- und Gesellschaftskrise, die ausschließlich politischer und (noch) nicht wirtschaftlicher Natur ist, wird befördert durch das Organsversagen des überwiegend öffentlich-rechtlichen Haltungsjournalismus, der entschieden hat, der Bevölkerung nur die Wahrheiten zuzumuten, die er für oppurtun hält. Er interessiert sich weniger für die Zustimmung des Staatsvolkes, das ihn zwangsweise per Demokratieabgabe finanziert, sondern fü die Vertragsverlängerung durch den parteipolitischen Fernsehrat.

Die restlichen Medien, die dem dominierenden medial-politischen Komplex folgen, befinden sich nicht nur in einer Legitimations- sondern in einer Existenzkrise. Für den gleichförmigen Strom, der dem Manna in Huxleys schöner neuer Welt überraschend ähnelt, will niemand mehr bezahlen. Die Vorstände und Geschäftsführer reagieren falsch: Sie sparen nicht an der Administration und dem Wasserkopf sondern am Inhalt und dessen Produzenten. Das zwingt die in eine Abhängigkeit, in der eine eigene Meinung ein unbezahlbarer Luxus wird.  Das Geschäftsmodell der Verlage mit den zweistelligen Renditen hat ausgedient. Und daran sind nicht nur Google und Co. schuld.

 

10.

Die mangelnde Qualität des politischen Personals, die Existenzkrisen der etablierten Parteien und das Aufkommen der “Populisten” sind kein deutsches Phänomen sondern in westlichen Demokratien weit verbreitet.

Das legt die Vermutung nahe, dass es sich um eine Krise der repräsentativen Demokratie handelt. Die agiert in der digitalen Welt mit der Geschwindigkeit des Postkutschenzeitalters und produziert Entscheidungen, die zu diesem Zeitpunkt schon überholt sind. In Deutschland vollzog sich das wegen der wirtschaftlichen Prosperität nur langsamer als in anderen Staaten.

Das hat die Flüchtlingskrise, bei der sich halb Deutschland übergangen fühlte, radikal verändert. Dem Bürger wird die Mitbestimmung durch Stimmabgabe alle paar Jahre suggeriert. In der Folge muss er sich der Diktatur der Demoskopen unterwerfen, die das Handeln der Volksvertreter im wesentlichen ohne jede verfassungsrechtliche Legitimation lenken. Deren Ergebnisse dürften meist eher den Erwartungen derer entsprochen haben, die sie bezahlen als dem tatsächlichen Willen des Wahlvolks.

Eine schonungslose Diskussion. wie das politische System reformiert werden muß, ist notwendig. Und das schließt die Medien, die bisher eine solche verhindern, mit ein.