Nicht von der Hamburg-Mannheimer. Der schon aus Vanity-Fair wohl gelittene Kolumnist hat sich beim European mal ordentlich verhauen. Er bezeichnet Kirchhofs Steuermodell als unsozial, weil die berühmte Krankenschwester mehr zahlen müsste und überhaupt ein detailliertes Steuerrecht für eine individualisierte Gesellschaft viel “gerechter” sei. Dabei sind schon seine Grundannahmen völlig falsch. 

1. Einnahmeausfälle

Hier gibt Freund Kaiser einmalig 40 Milliarden und alljährlich 9 Mrd. € an. Nun kann ich mir zwar vorstellen, dass der Staat den entsprechenden Betrag gut einsparen könnte, ohne dass es  jemanden signifikant schlechter zu gehen braucht. Die Zahlen sind aber völlig aus der Luft gegriffen.

Denn die Steuerstatistik berücksichtigt nur das “zu versteuernde Einkommen” nicht aber das tatsächliche. Wenn ich also die Kosten für eine Immobilie oder einen “Medienfonds” von der Steuer absetze, werden diese Kosten vorher abgezogen. Das ist auch der Grund, warum lediglich ein Prozent der Deutschen ein zu versteuerndes Einkommen von 125.000 € oder darüber angeben, obwohl das reale selbst bei denen, die darunter bleiben, erheblich höher liegen dürfte. Und das wäre dann eben auch zu versteuern.

Die geschätzten 40 Milliarden kann also keiner kennen. Sie fallen auch nur deshalb einmal an, weil die Steuervorteile aus dem alten System im ersten Jahr des neuen noch abgeschrieben werden müssen, weil entsprechende Engagements ja langfristiger als nur ein Steuerjahr sind.

Wählt man ein Optionsmodell, gehen diese gegen 0. Denn dann wird derjenige, der die alten Vorteile aufbrauchen will, solange nach den alten Sätzen besteuert.

Die Steuereinnahmen des Staates schwanken stark. Warum alljährlich 9 Milliarden weniger eingenommen werden sollen, erschließt sich mir nicht. Führt die Steuerreform zu Wachstumsimpulsen, kann es genauso einen positiven Effekt geben.

2. Die Krankenschwester

Die Krankenschwester dürfte heute kaum Steuern zahlen und tut dies im neuen System wohl auch nicht. Für sie ändert sich nichts. Die Höhe der Steuerlast hängt am Einkommen abzüglich Werbungskosten und der Anzahl der Personen, die davon leben. Denn auch bei Kirchhof sind die Sozialversicherungskosten wohl steuerfrei. Wenn die Krankenschwester ein Nettoeinkommen von 24.000 € im Jahr hat, dann sind davon zunächst einmal 10.000 € steuerfrei. Auch Kirchhof sieht eine Werbekostenpauschale in Höhe von 2.000 € vor. Macht 12.000 Euronen Resteinkommen. 10.000 fallen unter die Progression. werden also beispielsweise mit durchschnittlich 10% besteuert. Macht 1000 €. Lediglich 2.000€ werden nach Kirchhof mit 25% besteuert, also mit 500 €. Macht insgesamt 1500 € im Jahr und etwas weniger wie 100 € im Monat.

Dies gilt aber nur für die alleinstehende Krankenschwester ohne Kinder. Hat sie dagegen etwa ein oder zwei Kinder werden schon jetzt bei den heutigen Freibeträgen (8000€) überhaupt keine Steuern fällig.

Bei ihr würden die Nacht- und Feiertagszuschläge auch nicht wegfallen. Die zahlt der Arbeitgeber. Aber sie müsste sie zu ihrem “zu versteuernden” Einkommen hinzurechnen, also maximal 25% Steuern darauf zahlen.

3. Besserverdiener

Beim Besserverdiener mit dem Jahreseinkommen von 125.000 € sind für die ersten 22.000 € wie bei der Krankenschwester 1000 € Steuer fällig. Für die verbleibenden 103.000 € sind es etwas mehr als 25.000 € Steuern, also mehr als die Krankenschwester in unserem Modell überhaupt verdient. Das erscheint m i r angemessen.

4. Die Optimierung des eingesetzten Wissens

Dass Steuereinnahmen und Wohlstand sich deutlich besser entwickeln, erscheint mir mehr als nur wahrscheinlich. Zunächst einmal besagt dass die “Laffer-Kurve”, nach der es einen optimalen Grenzsteuersatz gibt, bei dem der Staat seine Einnahmen maximieren kann. Der ist abhängig von der Bereitschaft der Bürger Steuern zu zahlen und Einkommen zu erzielen. Bei 0% ist diese natürlich grenzenlos aber das Staatseinkommen natürlich nicht. Bei 100% wird keiner mehr bereit sein, zu arbeiten, wenn er das gesamte Einkommen gleich wieder bei Vater Staat abgeben muss.

Der optimale Steuersatz liegt also dort, wo die meisten Bürger gerade noch bereit sind, ihr Einkommen zu maximieren. Wo das genau ist, kann keiner sagen. Er dürfte jedoch eher bei 25% als bei 49% liegen.

Und der Bürger weiß am besten, wie er sein Einkommen maximieren kann, statt seine Intelligenz in einem komplexen System darauf zu reduzieren, die Steuerlast zu drücken und so künstliche Verluste zu produzieren, die die gesamtgesellschaftliche Wohlfahrt schmälern.

Das legen auch die empirischen Erfahrungen nahe. In den USA hat Ronald Reagan mit seiner Steuerreform bereits im zweiten Jahr nach Einführung signifikant höhere Steuereinnahmen erzielen können. Die wurden nur über gesteigerte Ausgaben überdeckt, mit denen er die Sowjets totgerüstet hat.

 

5. Die Sache mit der Einzelfallgerechtigkeit.

Einzelfallgerechtigkeit ist nicht erreichbar, weil niemand jeden konkreten Einzelfall kennt. Ein detailliertes Steuerrecht ist immer für denjenigen völlig ungerecht, dessen Einzelfall der Gesetzgeber nicht kannte.

Und Ausnahmen sind selten zu rechtfertigen. Die Steuerfreiheit der Nachtzuschläge haben die Nazis zur Ankurbelung der Rüstungsproduktion eingeführt. Sie sind vollständig unsinnig. Nachtarbeit macht krank. Und sie ist keine Frage der Allgemeinheit sondern ein Verhandlungsgegenstand zwischen Arbeitnehmern und -gebern.

Auch die Pendlerpauschale in der heutigen Form ist so nicht zu rechtfertigen. Wer etwa auf dem Land lebt, tut dies meist billiger. Es ist seine freie Entscheidung dort zu leben und nicht in die Nähe des Arbeitsplatzes zu ziehen.

Sehen Sie Herr Kaiser, hier haben Sie sich mal vertan. Sorry.