Zahlen lügen nicht. Da rechnet die Frankfurter Rundschau flux aus, dass sich durch Einführung eines gesetzlichen Mindestlohns die 50 Mrd. € Subventionen einsparen lassen, mit denen der Staat über “Hartz IV” die sogenannten “Aufstocker” bedenkt. Das gewerkschaftsunterwandete Institut für Qualifikation und Arbeit der Uni Duisburg-Essen hat im gleichen Zeitraum einen Zahlenfriedhof vorgelegt, der ebenfalls beweisen soll, dass die prekären Beschäftigungsverhältnisse sich durch einen gesetzlichen Mindestlohn verhindern liessen. Dabei weist er auf genau das Gegenteil hin.

Nach der Definition des IAQ und der OECD beginnt der Niedriglohnsektor bei 70% des “Medianlohns”. 50% der in Deutschland Beschäftigten verdienen demnach mehr und 50% weniger. Mit anderen Worten: Die Hälfte der Deutschen verdient mehr als 14,95 Brutto pro Stunde. Oder rund 2300 im Monat ohne Urlaubsgeld, Gewinnbeteiligung und 13. Gehalt. Arbeiten zwei Personen in einem Haushalt, so kriegen die schon das doppelte (Exkurs: Hinzu kommen noch 20% “Arbeitgeberbeiträge, die ebenfalls vom Arbeitnehmer erwirtschaftet mußten”.

Die relative Armut beginnt bei 9 Euro 50. Das sind 70% des Medianlohns und per Definition die Schwelle, ab dem der Niedriglohnsektor beginnt. Steigen die Löhne insgesamt, so steigt auch diese Schwelle, so dass der niedrige Lohn immer höher wird, ohne dass sich etwa Produktivität oder Leistungsvermögen, Preisniveau oder Gewinn eines Unternehmens geändert haben.

Mit 9.50 verdient man bei einer 38,5 Woche immer noch rund 1300 € Brutto. Das ist ärgerlich, denn wenn man unter 1200 brutto verdienen würde, bekäme man mehr raus: Statt pauschal 20% Arbeitgeber- und Arbeitnehmeranteile zu berechnen, wird zwischen 800 und 1200 stufenweise angeglichen.

Hier zeigt sich auch der Grund für die “Aufstocker. Der mittlere Lohn liegt in etwa so hoch wie die staatlichen Gesamtleistungen nach Hartz IV für eine vierköpfige Familie, wenn Miete, einmalige Zuwendungen und Strom und Wärme mit verrechnet werden.

So erklärt sich auch die hohe Zahl der “Aufstocker”. Die Hälfte der in Deutschland erwerbstätigen verdient weniger, als eine vierköpfige Familie an “Arbeitslosengeld II” beziehen kann. Vergleicht man Brutto und Netto sieht die Sache noch dramatischer aus. Dann wären mindestens noch 20% abzuziehen. Und die Hälfte der Bevölkerung ist bescheuert genug, zu arbeiten, obwohl sie für´s Nichtstun genauso viel Geld bekäme.

Der vom IAQ ausgewiesene Niedriglohnsektor betrifft 6,5 Millionen Menschen oder rund 20% der Erwerbstätigen. Aber nur 12% der Vollzeitbeschäftigten beziehen ein Einkommen unter 9,50, dagegen sind es bei den Teilzeitbeschäftigten lediglich 21% und nur bei den “Mini-Jobbern” 86%. Das “Aufstocken” liesse sich also gar nicht verhindern, weil die Teilzeitbeschäftigung auch bei einem Mindestlohn von 9,50 nicht ausreichen würde, um das Hartz IV Niveau zu überschreiten. Absolut gesehen sind das über 53% der Niedriglohn-Empfänger oder rund 3 Millionen Menschen, bei denen sich durch einen Mindestlohn nicht viel ändern würde, ausser dass es für Arbeitgeber wieder billiger wäre, das ganze schwarz zu erledigen oder ganz sein zu lassen.

Auch bei der Höhe des Mindestlohns würde sich kaum etwas ändern. Schließlich verdienen 80% der Erwerbstätigen über 8,50 € Brutto und nur 10% unter 7 €, von denen die meisten, wie dargestellt, Teilzeitbeschäftigte sind.

Denn den Klassenkämpfern geht es überhaupt nicht um ein angemessenes Einkommen sondern um die Maximierung der Einnahmen aus der Sozialversicherung. Wer 6 € im Monat bekommt, hat nicht weniger im Portmonnaie als derjenige, der bei 7,50 über die Niedrigbeschäftigungsschwelle kommt und 1,50 € bei der Sozialversicherung abgeben muß. Den Arbeitgeber kostet der Mindestlöhner aber nicht sechs sondern 9 € pro Stunde, weil er ja auch noch den Arbeitgeberanteil zahlen muß.

An den 50 Mrd. Subventionen für den “Neoliberalismus” ändert das Ganze überhaupt nichts, weil die meisten, die einen Niedriglohn per Definition beziehen, ohnehin nicht 38,5 Stunden oder mehr verdienen und deshalb weiter aufstocken werden.

Ganz unbeachtet sind dabei zwei Dinge: Die Frage, wieviele Menschen in einer “Erwerbsgemeinschaft” arbeiten und wieviele nicht. Das kann wohl nicht durch einen Mindestlohn gelöst werden. Und die Tatsache, dass all diese Zahlen auf statistischen Hochrechnungen des “Sozioökonomischen Panels” des DIW beruhen, die man glauben kann oder nicht. Niemand hat jedenfalls einmal überprüft, ob die Zahlen zutreffen, die mit statistischen Modellen geschätzt worden sind.

Aber irgendwas bleibt ja immer hängen.