Ich kaufe das Heft nicht mehr. War früher die sonntägliche Fahrt zur Tanke festes Ritual (in Berlin liegt er da schon), habe ich das aufgegeben. Gehörte der Spiegel früher zur Pflichtlektüre in meinem Job im politischen Umfeld, war er in den letzten Jahren freiwillige Lektüre. Aber irgendwann vor zwei, drei Jahren wurde er überflüssig weil bestenfalls vorhersehbar. Und auch Spiegel Online ist mittlerweile wieder ein links dominiertes Medium ohne Inspiration. Nun berichtet MEEDIA auch von bröckelnden Auflagen, sinkenden Gewinnen und personellen Querelen.
Das Elend begann wohl mit dem Rauswurf von Stefan Aust. Unter dem Chefredakteur wurde das Blatt pluralistischer. Spiegel Online wurde das allererste Online-Medium, die Verfügbarkeit über “Compuserve” Anfang der Neunziger war eine Wohltat und der Leser harrte gerne minutenlang vor dem Röhrenbildschirm, während sich mit 64kbyte/s die Seite Stück für Stück aufbaute.
Unter Aust polemisierte das Blatt gegen Oskar Lafontaine, der sich auf den Stuhl des SPD-Vorsitzenden geputscht hatte, weil der die bescheidenen Reformversuche der Kohl-Regierung im Bundesrat blockierte. Schröder wurde erst als der Tony Blair Deutschlands gefeiert. Doch als der zauderte und zauderte, titulierte das Blatt die Rot-Grüne Götterdämmerung.
Austs Sturz, gemeinsam von Walser-Sohn Jakob Augstein und der “Mitarbeiter-KG” herbeigeführt, sollte den Spiegel wieder links drehen. Und das geschah dann auch. Nun ist wieder alles wie in den Siebziger und Achtzigern, als man als verlängerter Arm der Sozialdemokratie fungierte.
Aber anders als damals, als Hans Leyendecker von der Staatsanwaltschaft Bonn allwöchentlich die Akten des Lambsdorff-Prozess zugespielt bekam oder der Gewerkschaftsskandal rund um COOP, Neue Heimat und Bank für Gemeine Wirtschaft entlarvt wurde, blieben die investigativen Erfolge ebenfalls aus.
SPON wird natürlich regelmäßig besucht. Aber eher pflichtschuldig, um die linke Seite auch noch zu registrieren oder den wöchentlichen Fleischhauer zu konsumieren.
Der alleine macht aber noch keinen guten Spiegel.
4 comments
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30. May 2012 at 21:26
Simon
Na ja von meinem Eindruck her ist der Spiegel doch noch ausgewogener als zum Beispiel die Zeit oder die Süddeutsche. Letztere steht scheinbar vollkommen unter der linken Ägide von Heribert Prantl.
Als Alternative bietet sich noch der Focus an. Wobei hier der politische Anspruch seit dem Weggang von Wolfram Weiner auch geringer geworden ist. Der Cicero ist mir zu teuer und unter einem SPD-Chefredakteur Neumann kann man sich den Inhalt ja auch denken. Die Junge Freiheit erledigt sich glaube ich von selber.
Zusammenfassung: Für liberal-konservative ist das Spektrum an wöchentlichen Zeitungen begrenzt.
30. May 2012 at 21:40
Rayson
Sagen wir’s mal so: Der “Spiegel” ist “scoop”-getriebener. Zugunsten der Schlagzeile vergisst der manchmal auch die Gesinnung. Bei der “Zeit” ist das kaum vorstellbar. Es gibt kaum ein Blatt, dass den Mainstream in seiner ganzen soliden Halbbildung besser wiedergibt.
31. May 2012 at 17:50
AMC
Mir reicht “achgut” zur politischen Bildung.
1. June 2012 at 23:55
Alreech
Jungle World nicht vergessen 😉