Die Kritiker aus den Qualitätsmedien haben am Sonntag einen anderen Film gesehen als ich. Ich hatte einen Sarrazin beobachtet, der einen mürrisch drein blickenden Peer Steinbrück mit trocken vorgetragenen Fakten ins Schwimmen bringt, bis der eigentlich nicht mehr widersprechen kann und sich genau auf die Sarrazinsche Hypothese festlegte: Die deutsche Geschichte rechtfertigt die Transferunion.
Die Qualität der deutschen politischen Diskussion lässt nicht nur zu wünschen übrig. Sie ist vom Reflex getrieben und nicht von der Überlegung. Gleiches gilt für Entscheidungen der politischen Akteure. Merkels Energiewende war nicht langfristig angelegt sondern diente dem Versuch, eine Wahlniederlage für die CDU in Baden-Württemberg zu verhindern. Nicht mal das gelang. Die Folgen für diesen Populismus sind nicht abzusehen.
Und nun Sarrazin. Der Mann rüttelt schon wieder an einem Tabu: Dem Euro. Und Merkels bescheidener Satz “Scheitert der Euro, scheitert Europa” ist ad absurdum geführt. Zu dumm.
Sarrazin bedient dieses Klavier der Schlüsselreize geschickt und bringt in seinem Buch auch noch das Wort “Holocaust” unter. Aufmerksamkeit und Aufregung garantiert. Der Mann dreht den Spieß um und führt die Reflexion ad absurdum, in der er diejenigen, die über ihn herfallen, bloß stellt.
Das sollte uns zu denken geben.
2 comments
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22. May 2012 at 12:15
David
Besonders negativ in der Jauch-Sendung war für mich der Eindruck, daß es von vorneherein Absicht war, Herrn Sarrazin zu diskreditieren, als Kretin hinzustellen und ihn unmöglich zu machen (eine türkische Journalistin in der Berlinzer Zeitung: “eine lispelnde Kreatur” – unglaublich). In solchen Talk-Runden klatscht immer ein großer Teil des Publikum zu praktisch jedem Mist von sonstwem, egal, was und wie schräg dessen Meinung ist. Hier war – bis auf eine Ausnahme (da konnte sich wohl jemand nicht zurückhalten) – stets nahezu aggressive Stille, wenn Herr Sarrazin etwas gesagt hatte. Für mich war das alles gelenkt, wie halt im Staatsfernsehen üblich.
Ausnehmend gut gefallen hat mir Herr Jauch. So stelle ich mir einen Moderator vor, nachbohrend, oft etwas bissig, unparteiisch.
Und Steinbrück…ach ja. Wie eine Bulldogge saß er da und sah ein Fell nach dem anderen wegschwimmen. Er mußte gar seinem Gegenüber in manchem zustimmen, und seine Ausführungen waren, wie das bei einem Politiker halt so ist, seeeehr leicht gehalten.
Selbstverständlich werde ich mir das Sarrazin-Buch kaufen, ich habe auch das andere. Und ich weiß schon jetzt, ohne es gelesen zu haben: Ich werde mit einiger Gewißheit nahezu jeder Seite zustimmen können.
Vielleicht das noch: Vor einiger Zeit hat Ex-Kommissar Verheugen bei Maybrit Illner mehr oder weniger wörtlich gesagt: “Ja, was glauben Sie denn, warum es denn Euro gibt? Es geht doch immer noch darum, Deutschland, das ja den Krieg verloren hat, im Zaum zu halten.” (Er hat es meiner Erinnerung nach noch ein wenig drastischer ausgedrückt.) In der Diskussion damals ging KEINER der Beteiligten auf diese ungeheuerliche Äußerung ein – mir verschlug es jedoch die Sprache.
Ich kann Herrn Sarrazin nur pauschal und global danken – für seine beiden Bücher.
22. May 2012 at 16:11
Martin
Das hier: “. Die Folgen für diesen Populismus sind nicht abzusehen.”
sollte vermutlich eher: “Die Folgen dieses Populismus” heißen, oder?