Eine Transfergesellschaft kauft nur Zeit. Und gibt wagemutigen Politikern wie dem SPD-Vizeministerpräsidenten Nils Schmidt die Chance, sich auf Kosten der entlassenen Mitarbeiter und der Steuerzahler zu profilieren. Und nun fällt die versammelte Presse über die FDP her, als ob die nicht die Transfergesellschaft verhindert hätte, sondern die Firma Schlecker in die Pleite getrieben hätte.
Am heftigsten polemisiert Veit Medick bei SPON, dessen Schlagzahl im gegenteiligen Verhältnis zu seiner Sachkenntnis steht:
Bislang hat es der FDP selten Auftrieb verschafft, wenn sie zum Koalitionspartner oder zu wem auch immer auf Konfrontation gegangen ist. Lange als einzige Partei trotz angespannter Haushaltslage an Steuersenkungen festzuhalten, ging für die FDP nach hinten los. Der Widerstand gegen die Opel-Hilfen verpuffte. Ihr spektakulärer Schwenk in Sachen Joachim Gauck hat sich für die Liberalen ebenso wenig ausgezahlt. Bei der letzten Landtagswahl im Saarland kamen sie gerade mal auf 1,2 Prozent – deutlich hinter der Familienpartei, gleichauf mit der NPD.
Schon bald dürften die Liberalen wissen, ob sie klug beraten waren, im Falle von Schlecker auf stur zu schalten. Die Landtagswahlen in Schleswig-Holstein sind nur noch fünf Wochen entfernt. Dann könnte schon die nächste Pleite drohen.
Wie wenig er sich mit der Materie auseinander gesetzt hat oder sie gar verstehen kann offenbart folgender Absatz:
Es mag Gründe dafür geben, im Falle von Schlecker nicht zu helfen. Das Geschäftsmodell ist gescheitert, und man kann sich fragen, ob es klug ist, es künstlich am Leben zu halten. Anders als bei Opel ist von der Pleite der Drogeriekette auch keine hochspezialisierte Zuliefererindustrie betroffen, sie bedroht also nicht eine ganze Branche. Schlecker ist ein recht isoliertes Problem.
Doch richtig ist auch: Die Schlecker-Beschäftigten selbst tragen keine Verantwortung für die Fehler des Managements. Und die Einrichtung einer Transfergesellschaft hätte ein Zeichen sein können, dass die Politik diesem Umstand Rechnung trägt. 71 Millionen Euro sind viel Geld gewesen. Aber für manches Fußballstadion ist schon mehr bezahlt worden.
Die 71 Millionen Bürgschaft dient nicht der “Fortführung der Gesellschaft”, sondern der Abfederung der Kündigung durch eine Transfergesellschaft. Die ist in diesem Fall jedoch zwecklos.
Eine Zweckgesellschaft einzurichten, mag sinnvoll sein, wenn wie in Duisburg-Rheinhausen ein Hochofen geschlossen wird und ein paar tausend Stahlarbeiter und Hütteningenieure auf die Straße gesetzt werden, die in der Region so schnell garantiert keinen Job bekommen. Aufgrund der schlagartigen Freisetzung dürfte auch die lokale Agentur für Arbeit von der Freisetzung überfordert sein. Und die Menschen haben in ihrem angestammten Job keine Chance und müssen freigesetzt werden.
Im Schlecker-Fall stehen 2,7 Millionen Arbeitsplätzen im Einzelhandel rund 11.000 Kündigungen gegenüber. Das legt den Schluss nahe, dass die wahrscheinlich früher oder später in einem vergleichbaren Berreich einen neuen Job kriegen, ohne dass der Jungpolitiker Niels Schmidt sich für sie tatendurstig in die Bresche schlägt. Und die regionalen Arbeitsagenturen sind mit dem Ansturm auch nicht überfordert. Das kann man am Beispiel Berlin feststellen: Hier werden 350 Mitarbeiterinnen entlassen. Die Stadt hat derzeit 370.000 Arbeitslose. Das ist ein Promille!
Darum geht es Edelfeder Medick aber genau so wenig wie um die 11.000 Betroffenen. Es geht ihm nicht um die Sache. Auch nicht um Argumente. Meddick geht es um Parteitaktik, die er auf dem Rücken der Beschäftigten austrägt. Er macht sich dabei gemein mit dem ekelerregenden Versuch von Seehofer, Beck, Nils Schmidt und Andrea Nahles, die aus der Schlecker-Pleite mit sinnlos heraus gefeuerten 71 Mio. € Kapital schlagen wollen und mit vermeintlichem Tatendrang und geheucheltem Mitgefühl Wählerstimmen erschleichen wollen. Man kann gar nicht so schnell schreiben wie man kotzen möchte.
Jetzt ist mir wirklich schlecht.
9 comments
Comments feed for this article
30. March 2012 at 12:29
Hans
Ein Lob an die FDP für diese Entscheidung.
Mich ärgert seit längerem dass immer wenn ein Großunternehmen pleite ist sofort der populistische Ruf nach Subventionen laut wird. Sicher die Arbeitslosigkeit ist kein einfaches Schicksal, aber monatlich verlieren Tausende aus betriebsbedingten Gründen ihren Arbeitsplatz ohne dass ein Politiker einschreitet.
30. March 2012 at 13:10
elissah78
Die Entscheidung der FDP ist sicherlich mutig und sie beweist Eigenständigkeit der Partei. Allerdings denke ich, dass sie sich für den Wahlkampf nicht unbedingt einen Gefallen getan haben. Die FDP als die entscheidende Partei, die 11.000 Schlecker Angestellte arbeitslos “gemacht” hat, wirkt sich meiner Meinung nach nicht wirklich positiv auf die kommenden Landtagswahlen aus, oder?
http://www.pollphin.de/poll/Politik-Wirtschaft-Soziales-Arbeitsmarkt-Gewerkschaften/Ist-das-Nein-der-FDP-bez%C3%BCglich-der-Auffangl%C3%B6sung-f%C3%BCr-Schlecker-richtig-4890073
30. March 2012 at 13:37
euckenserbe
Schon die Fragestellung ist rottenfalsch. Es handelt sich nicht um eine Auffanglösung für Schlecker sondern um eine Transfergesellschaft für die Mitarbeiter, die eben nicht mehr weiter beschäftigt werden können. Die werden dann nach sechs Monaten besser qualifiziert arbeitslos.
5. April 2012 at 20:46
Alreech
und falls in sechs Monaten die Konjunktur nachlässt, und der Handel nicht mehr einstellt wäre die ehemaligen Schleckermitarbeiter trotz zusätzlicher Qualifikation arbeitslos…
30. March 2012 at 16:07
ich
Thema Schicksal der Angestellten: Irgendwie haben alle anscheinend vergessen, dass es doch 12 Monate Arbeitslosengeld gibt, 80% vom Nettolohn. Was ist bitte daran schlechter als eine Auffanggesellschaft, die 6 Monate lang 60 % vom Nettolohn zahlt? Seltsam…
30. March 2012 at 18:03
Rayson
Nein. Das ALG käme danach oben drauf.
30. March 2012 at 21:08
Erling Plaethe
Ein schönes Beispiel wie eine Regulierung die nächste nach sich zieht.
Der überregulierte Arbeitsmarkt und ein Arbeitsrecht in dem Unternehmen den kürzeren ziehen, ist immer noch nicht “sozial” genug.
Die Landeshaushalte sollen die für Investoren äußerst unattraktive Gesetzeslage auf dem deutschen Arbeitsmarkt “nachjustieren”.
1. April 2012 at 00:17
aldiman
Statt eine Transfergesellschaft zu gründen, hätte man gleich den Schlecker-Betroffenen 6 Monate länger ALG zusagen können. Das wäre deutlich effizienter gewesen als eine neu zu gründende Transfergesellschaft, deren einzige Aufgabe das wäre, was bereits Aufgabe der Arbeitsagentur ist.
Nur wäre dann überdeutlich geworden, dass man Schlecker-Betroffene für besonders förderungswürdige Arbeitslose hält, und man hätte vielleicht von irgendeinem fähigen Medium (offenbar nicht SPON) mal die Frage gestellt bekommen, warum.
Frau Kraft, Andrea “ich glaube gern” Nahles, Kretschmann, Beck und Seehofer eint ihr widerwärtiger Populismus. Dass diese vereinte Schande für die Politik mich in Richtung FDP treibt, nehme ich ihnen RICHTIG übel. Denn die FDP ist so doof, aus dem offensichtlichen Populismus des politischen Gegners nicht Kapital zu schlagen. Der Gegner argumentiert ausschließlich auf Basis emotionaler und moralischer Prinzipien und die FDP auf Basis ordoliberaler Prinzipien.
So ein Quatsch, wo die Faktenbasis die FDP-Position doch ausreichend stützt! Siehe etwa das Interview mit dem Wirtschaftswissenschaftler Kambeck auf tagesschau.de.
Man darf vermuten, dass eine faktenorientierte prinzipienlose Politik vom SPON umgehend als technokratisch gebrandmarkt würde. Die erste nichtverbrecherischere Regierung seit langem in Italien hatte schließlich sofort dieses Attribut verpasst bekommen, zumindest nach dem Geschmack der Süddeutschen Zeitung scheint eine fähige gesetzestreue Regierung nicht genügend Glamour zu verströmen.
Warum hat hier eigentlich noch niemand kommentiert, dass der Staat ja xundachtzig Zilliarden für “die Banken” übrig hat, aber nichts für “die Arbeitslosen”? Habt ihr keine entsprechenden Haustrolle? Soll ich einen vermitteln?
5. April 2012 at 20:48
Alreech
Hm, wenn Nils Schmid so für eine Auffang- und Transfergesellschaft ist, kann er sie ja in Baden Württemberg einführen.
Das ist das schöne am Föderalismus, oder ?