Es gehört bei Liberalen mitunter zum guten Ton, sich über die Dummheit von Politikern und ihre Ignoranz gegenüber Marktgesetzen zu beklagen. Doch Elmar Brok, Mitglied der CDU und des europäischen Parlaments, hat gerade in der Welt eindrucksvoll klargestellt, daß er das kleine Einmaleins der Marktwirtschaft sehr wohl beherrscht.
„Die [Ratingagenturen] bekommen ihr Geld von der Finanzwirtschaft. Von den Staaten bekommen sie nichts. Sie sind also von der Finanzwirtschaft abhängig. Folglich bewerten sie die Bonität der Staaten nach den Interessenlagen der Finanzindustrie.“
Potzblitz! Dienstleister der Finanzwirtschaft erfüllen mitunter deren Informationsbedürfnisse, indem sie die Zahlungsfähigkeit potentieller Schuldner abschätzen. Burgerbratereien würzen ihre Produkte so, daß sie Anklang bei der Kundschaft finden und kürzlich hat ein Maler meinen Flur nach meinen Wünschen gestrichen! (Daß das letztgenannte Beispiel leider nicht das allertypischste ist, steht auf einem anderen Blatt und soll hier nicht weiter beachtet werden.)
Seltsam nur, daß dieser einfache und wunderbare Zusammenhang sich bei Brok eher wie ein Bedrohungsszenario ausnimmt. In düsteren Farben und mit mehr als dezenten verschwörungstheoretischen Anklängen malt er einen Währungskrieg an die Wand, der ganz besonders grausam ist, weil Investoren so viel Geld wie möglich verdienen wollen.
Abgesehen davon, daß hier anstelle des Wortes „Krieg“ vielleicht eher „Wettbewerb“ oder „Konkurrenz“ angebracht sind, gehört zum kleinen Einmaleins der Marktwirtschaft doch auch das Ideal, daß der Bessere gewinnen möge. Diese Einsicht sucht man allerdings bei Brok vergeblich.
Lieber Herr Brok, es steht niemandem zu, Ihnen in Ihre persönlichen Lebensentscheidungen hereinzureden. Wenn Sie gern mittelmäßig bis schlecht Essen gehen – bitteschön. Und daß Sie auch bei Ihren Mitarbeitern Wert auf die Abwesenheit von Spitzenqualität legen, wollen wir Ihnen einfach glauben. Aber seien Sie bitte im Gegenzug so fair und nörgeln Sie nicht rum, wenn andere Menschen im Austausch für eigene gute Arbeit Wert auf eine entsprechende Gegenleistung legen. Oder ist eine solche Haltung für Sie zu vernünftig?
10 comments
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23. January 2012 at 17:28
Jaquento
Ich glaube der Springende Punkt war “Interessenlage der Finanzindustrie”, Somit ist das Rating immernoch etwas das nicht unbedingt mit Wahrheit zu tun hat.
Und ich halte es durchaus für legitim mich davon bedroht zu fühlen.
23. January 2012 at 18:07
Libertas
Und die Interessenlage der Finanzindustrie ist es natürlich, möglichst irreführende Informationen zu bekommen???
Vielleicht solltest Du Dir mal die Zuverlässigkeit von Ratings anschauen. Ich finde deren Qualität eher beruhigend. Und beruhigender und zuverlässiger als (fast alle) Aussagen aus dem Bereich der Politik allemal.
24. January 2012 at 17:25
Jaquento
Nein das interesse der Finanzindustire ist Profit zu machen, und ich halte es durchaus für denkbar das mit den Ratings die Märkte manipuliert werden können, wenn die Kunden genug bezahlen.
Und was die Zuverlässigkeit angeht, wie war Lehman Bros. nochmal bewertet bevor die Bankrott gingen, AA? A+?
24. January 2012 at 22:35
euckenserbe
1. Das schwierige an Prognosen ist, dass sie die Zukunft betreffen (sagte schon Mark Twain). Das Problem bei den Ratings von Unternehmen, die BIlanzen ausweisen, liegt im amerikanischen Bilanzierungsprinzip “Fair Value”. Alle Assets werden zum gegenwärtigen Marktwert ausgewiesen und so auch von der Rating-Agentur analysiert. Das ist der Grund, warum Ratings nicht schnell genug eine Veränderung berücksichtigen können. Die Kurswerte der Anlagen verändern sich in Sekundenschnelle während die Bilanzen und Quartalsberichte nicht im gleichen Zeitraum erscheinen. So können Ratings insbesondere in volatilen Marktumfeldern leicht in die Irre führen. Helfen würde hier das Niederstwertprinzip: Unternehmen müssten Anlagen zum ursprünglichen Kauf-/Emissionswert ausweisen und dürften nur realisierte Kursgewinne als Gewinn verbuchen. Damit wäre eine Lehman Brothers ausgeschlossen.
2. Als kritische Rationalisten haben wir uns nicht der Wahrheit verschrieben sondern setzen auf die Bewährung unserer Hypothesen und der Erkenntnislage. Vor diesem Hintergrund dokumentieren Ratings nicht die “endgültige Wahrheit” sondern den Versuch, die zukünftige Zahlunsgsfähigkeit eines potentiellen Schuldners aus Sicht des Gläubigers einzuschätzen. Diese Einschätzung soll dem Gläubiger eine Auskunft über das wahrscheinliche Risiko geben, ob der Schuldner einen entsprechenden Kredit zurückzahlen kann und will. Die Einschätzung von Risiken ist bedeutend für Banken und Versicherungen, weil sich danach die Notwendigkeit richtet, das entsprechende Engagement mit entsprechendem Eigenkapital zu hinterlegen: Je schlechter ein Risiko, desto höher der Eigenkapitalbedarf und desto höher die Zinsen, die der Gläubiger allerdings auch braucht, um das Eigenkapital zu refinanzieren (oder unter komparativen Gesichtspunkten festzustellen, dass das eingesetzte Eigenkapital hier die höchste Rendite im Vergleich zu anderen Anlageformen verspricht).
3. Wir lehnen hier auch bestimmte Begriffe ab: “Profit” ist so ein Begriff, weil er aus der marxistischen Gedankenwelt entstammt und suggerieren soll, dass eine Gewinnerzielungsabsicht per se amoralisch sei und nur mit unlauteren Mitteln realisiert werden könne. Tatsächlich ist die Erzielung eines “Mehrwerts” volks- und betriebswirtschaftlich notwendig, damit nach einer Transaktion ein höherer Wert entstanden ist wie vor der Transaktion.
4. Tatsächlich werden die Märkte durch staatliche Eingriffe verzerrt und diese sind die Ursache für unangemessene Gewinne, weil durch die staatlichen Eingriffe die Risiken sozialisiert werden, während die Gewinne bei den privatwirtschaftlichen Unternehmen bleiben. Das haben wir hier auch schon analysiert:
https://fdogblog.wordpress.com/2011/12/12/my-greek-fat-bond-3800-rendite-fur-griechische-staatsanleihen/
Es bleibt also dabei: Rating-Agenturen liefern wie ein Fieberthermometer eine relevante Information über die augenblicklich zu erwartende zukünftige Zahlungsfähigkeit. Aufgrund des Fair Value Prinzips können sich solche Prognosen im Umfeld volatiler Märkte schnell überholen. Das gilt weniger für Staaten, weil deren Haushaltsführung überhaupt keine Assets beinhalten.
Ich persönlich halte die Einschätzungen der Rating-Agenturen nach wie vor immer noch für konservativ. Tatsächlich dürfte es um die Zahlungsfähigkeit der USA und der Staaten der Europäischen Union wesentlich schlechter bestellt sein.
Mit schlechten Ratings lässt sich schlecht spekulieren, weil höhere Risiken zwar einerseits höhere Zinsen versprechen aber auch nach einer höheren Risiko-Vorsorge und damit höheren Kosten bei der Kapitalbeschaffung verlangen. Die Idee, dass Spekulanten mit schlechten Ratings, die ihnen zu Gefallen von Agenturen unabhängig von der tatsächlichen Zahlungsfähigkeit erstellt würden, ist deshalb absurd, weil sie keine zusätzlichen Gewinne verspricht.
25. January 2012 at 19:47
Jaquento
Erstmal, danke, das war doch sehr erhellend.
zu 1. Was die Frage aufwirft, wieso man sich überhaupt so stark auf die Ratingagenturen verlässt, wenn diese auch nur mit Wasser kochen. Ansonsten stimme ich zu, das Unternehmen nur “sichere” Werte ausweisen sollten.
zu 2. Wenn ich das richtig verstehe, wäre es doch eine Maßnahme, wenn man an Kreditgebern, dieselben Maßstäbe wie an Kasinos anlegt. Diese müssen doch für Chips im Umlauf auch entsprechende Deckung im Tresor haben, wenn schon Kasinokapitalismus dann doch richtig.
zu. 3 Ich stimme zu das Gewinnmaximierung nicht amoralisch ist, so ist sie aber nicht immer Zielführend. Wie ein for profit Gesundheitssystem aussieht sieht man in den USA.
zu 4. Absolute Zustimmung, die Housing Bubble entstand doch erst weil die damalige US-Regierung die Zinsen schön niedrig gehalten hat.
zum Fazit: Am Markt gibt es diverse Spekulationsangebote mit denen man bei sinkenden Kursen gewinn machen kann. Leerverkäufe zum Bleistift. Ich denke es ist immer noch möglich das Agenturen Ratings frisieren (in die eine oder andere Richtung) um ihren Kunden zu gefallen. Wo Nachfrage ist, findet sich auch Angebot.
Letztendlich geht es mir um die Auswirkungen die Marktverzerrung sei es durch Staat oder Agentur auf die reale Wirtschaft hat. Wenn das Potential da ist, das mit der Bonität von Staaten und Unternehmen Schindluder getrieben werden kann, ist gesundes Misstrauen angebracht. Ich will nicht nach dem Staat rufen, da dieser offensichtlich noch parteiischer ist als eine private Agentur es je sein kann, aber ich denke man sollte Ratings nicht als der Weisheit letzter Schluss betrachten.
Da ich Staaten genauso wenig traue (eigentlich weniger da Politik im Spiel ist) sehe keine Lösung. Entweder man beißt in den Sauren Apfel und machst sich von S&P’s abhängig oder man lässt es und muss sehen wo man bleibt.
25. January 2012 at 19:54
Rayson
Nee, sieht man nicht. Medicare und Medicaid bezahlen ungefähr die Hälfte aller Gesundheitsleistungen.
26. January 2012 at 01:33
Jaquento
Eben, das sind Staatsleistungen ohne die Alte und geringverdiener schlecht darstehen würden.
26. January 2012 at 15:17
Rayson
Also nicht “for profit”. Nächstes Gesundheitssystem…
28. January 2012 at 08:11
Jaquento
Ich glaube wir reden aneinander vorbei…
26. January 2012 at 01:34
Alreech
zu 1.)
die großen Kapitalanleger müssen sich nicht auf die drei großen Ratingagenturen verlassen.
Alternativ könnten sie auch eigenen Abteilungen aufbauen, die das Risiko bewerten…
zu 2.) die vorgeschriebene Deckung hängt vom Risiko ab. Staatsanleihen galten als nicht sonderlich riskant…
zu 4.) niedrige Zinsen sorgen für Blasen, aber wenn die Amis nicht das politische Ziel gehabt hätten das sich möglichst viele Menschen ein Eigenheim leisten können sollten wäre die Blase woanders entstanden.
Und mal dumm gefragt, was ist an Blasen so schlimm ?
Die meisten Amis welche das billige Geld und die Eigenheimförderung zum Kauf von Wohneigentum genutzt haben sitzen vermutlich gerade in ihrem Haus. Manche haben es vermutlich sogar schon abbezahlt, und bis auf den gesunkenen Wiederverkaufswert hat für sie das Platzen der Blase keinen Effekt.
Leerverkäufe funktionieren auch nur dann wenn der Kurs einer Aktie wirklich fällt. Wenn der Kurs nicht fällt, dann macht der Leerverkäufer eben kein Gewinn sonder sogar einen Verlust.
Ausserdem funktionieren Leerverkäufe auch nur dann, wenn es eine Nachfrage und ein Angebot nach der Aktie gibt – also jemand kaufen und verkaufen will.
Und was hat das ganze mit der aktuellen Krise zu tun ?
Die ist nicht durch Leerverkäufe und Hedgefonds entstanden.
Sondern dadurch das Politiker lieber Kredite aufgenommen haben, statt die Steuern zu erhöhen oder die Ausgaben zu reduzieren, und jetzt viele Menschen der Meinung sind das sie Staaten besser kein Geld mehr leihen, weil die Chance zu groß ist das sie ihr verliehenes Geld nie wiedersehen.
Gleichzeitig haben in Deutschland die staatlichen Banken mit Steuergeldern spekuliert – zum Teil unter Umgehung der staatlichen Bankenaufsicht.
Und keiner der Politiker der in den Aufsichtsräten dieser staatlichen Banken sitzt, wurde deswegen zur Rechenschaft gezogen.
Rating allgemein:
So wie ich den Ablauf verstanden habe zahlen momentan die Verkäufer für das Rating.
Selbst wenn man nicht davon ausgeht das die Agentur deswegen frisiert:
Es gibt einen rein finanziellen Anreiz nur bei einer Agentur das Rating zu beauftragen, so das der Käufer nur eine Quelle hat.
Sinnvoller wäre es sicher wenn der Käufer bezahlt und die Agenturen dafür dem Verkäufer nichts in Rechnung stellen.