In einem Artikel in der aktuellen Ausgabe der EMMA stilisiert Marlene Streeruwitz die Occupy-Bewegung zur „Antwort der Stunde“. Die brave Leserin und der brave Leser danken für die Orientierung, hätten aber doch ganz gern gewußt, wie denn überhaupt die Frage lautete.

Nach intensivem Textstudium komme ich zu dem Ergebnis, daß die Occupy-Bewegung wohl einem Ärgernis von weltweiter Bedeutung entgegentreten will: dem skandalösen Zustand, daß auch Menschen mit geringen finanziellen Mitteln Wünsche und Bedürfnisse haben. Sie möchten reisen und konsumieren und haben die Frechheit, sich engagiert der Verwirklichung ihrer Ziele zu widmen.

Bei Frau Streeruwitz klingt es, als sei dies mit der Menschenwürde unvereinbar. Es wäre wohl besser, wenn statt der besinnungslosen und unwürdigen Individuen eine Institution die Verteilung von Reisen und Konsumgütern übernähme. Dann kämen, obwohl selbstverständlich keine Güter und Dienstleistungen mehr „billigst“ (etwas ganz Schlechtes) sein würden, alle Menschen in deren Genuß. Das kleine Problem einer das Angebot übersteigenden Nachfrage lösen natürlich nicht etwa Märkte, sondern wohlmeinende Institutionen und intelligente Gesetze.

Und nun erklärt sich auch, warum die Bewegung den sprechenden Namen Occupy trägt:

Auf einem Markt bieten Menschen etwas Nützliches an und können dafür eine Gegenleistung erhalten. Aber im Dschungel von Gesetzen und Institutionen schrumpfen diese transparenten Aktionen auf ein Minimum. Weil das gewünschte Gut kaum mehr durch das Erbringen einer Gegenleistung zu erhalten ist, wird es rational, einflußreiche Positionen oder die öffentliche Meinung zu besetzen.

„Occupy“ ist politisch korrekt für Diebstahl. Daß die Diebe ihrerseits genauso bestohlen werden wie die, die es vermeintlich verdient haben, scheinen sie nicht zu bemerken. Und auch nicht, daß es nicht um den Diebstahl von Geld geht, sondern um den Diebstahl von Freiheit.