Erst das Glühbirnenverbot, dann die Antidiskriminierungsrichtlinie und jetzt die Vorratsdatenspeicherung. Vom 20 Jahresplan gegen den Klimawandel wollen wir erst gar nicht reden. Immer öfter stolpert man über Richtlinien und Initiativen der Europäischen Union, die in nationales Recht umzusetzen sind, obwohl es keinen sachlichen Grund gibt, warum in Andorra die gleichen Regeln gelten sollen wie auf der Isle of Man. Wer ein einheitliches Europa will, schafft seine Vielfalt ab. Wer über Gebühr zentralisiert, vernichtet die Idee des Kontinents und der europäischen Einigung: in Frieden und Freiheit zusammen zu leben und von der Macht des Wettbewerbs zu profitieren.
Spätestens seit der Griechenpleite ist der “Lissabon-Prozess” gescheitert. Mit ihm wollte die Phalanx der europäischen Staatsführer am grünen Tisch die Wettbewerbsfähigkeit der Gemeinschaft steigern. Nur ohne Wettbewerb und mit noch mehr Zentraler Planwirtschaft. Das musste schief gehen.
Der “Bologna-Prozess” sollte die universitären Einrichtungen vereinheitlichen. Schon wieder kein Wettbewerb. Dabei blieb nicht nur der gute deutsche Diplom-Ingenieur auf der Strecke, der für die deutsche Industrie einen veritablen Wettbewerbsvorteil darstellt. Es wurde auch übersehen, dass sich das duale Bildungssystem Deutschlands systematisch vom Rest Europas unterscheidet. Hierzulande braucht es keinen Bachelor für Krankenpflege, weil das qualifizierte Personal ganz ohne das von Brüssel geforderte Abitur im dualen System hervorragend ausgebildet wird.
Europa ist mehr als die Brüsseler Kommission und die Inflation der Kommissare, Gipfel und Ministerräte. Wir haben uns die Idee eines freien Europa von den Bürokraten und Funktionären stehlen lassen, die daraus mit einer Vielzahl von Direktiven und Plänen sukzessive eine EUdSSR machen. Wenn diese überflüssigen Beschränkungen verschwinden, erscheint auch wieder die Idee eines freien Europas der Bürger, der Freizügigkeit und des Wettbewerbs.
Das Schlüsselwort zur Befreiung Europas heißt Subsidarität: Politische Entscheidungen werden auf die denkbar niedrigste Ebene verlagert. Also auf die Kommunen. So entsteht Vielfalt und Wettbewerb selbst auf den staatlichen Sektor und die Wahlfreiheit der Bürger wird maximiert.
Denn das freie Europa fasziniert. Das Europa, das von den reichen gewachsenen Kulturen lebt, in dem man so viele unterschiedliche Baustile und Stadtbilder erkennen kann, ein Europa der unterschiedlichen Speisen und Trinkgewohnheiten, der verschiedenen Religionen und Mentalitäten. Ein Europa der verschiedenen Sprachen und Landschaften.
Europa ist das Gegenteil der heutigen Euro-Monstranz: Es lebt vom Unterschied. Wenn der wieder als wahrer Wert erkannt wird, wird aus der Selbstverständlichkeit, dass wir Bürger uns ganz ohne Zutun und Regulierung der Bürokraten längst glänzend verstehen und miteinander leben statt uns zu bekriegen, wieder Faszination. Doch dieses Europa werden wir uns wohl wieder erkämpfen müssen.
4 comments
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29. December 2011 at 12:14
Andreas Moser
Vom Subsidiaritätsgesichtspunkt aus gesehen ist eine Richtlinie aber immer noch besser als eine Verordnung.
29. December 2011 at 12:40
Tigerentenzersäger
Die VO gilt unmittelbar und ist dem Rechtsunterworfenen als zentralistischer Durchgriff klar erkennbar.
Bei der RL sieht man als Bürger zuerst nur das vom “eigenen” Parlament “beschlossene” nationale Durchführungsgesetz.
Diese Verschleierungswirkung ist vielleicht nicht unbedingt Hauptzweck beim Einsatz des Instruments RL, aber sicherlich auch nicht unerwünscht.
30. December 2011 at 00:51
Alreech
Der Bologna Prozess soll vereinheitlichen ?
Soweit ich weiß, soll er Bildungsabschlüsse europaweit vergleichbar machen.
Für das duale Berufsausbildungssystem in Deutschland hatte das erfreulicherweise zur Folge das ein Meister oder Techniker auf dem gleichen Niveau wie ein Bachelor eingestuft wird… und genau dadurch wird das hohe Niveau der dualen Berufsausbildung europaweit bekannt gemacht.
3. January 2012 at 01:46
Christian S.
“Der ‘Bologna-Prozess’ sollte die universitären Einrichtungen vereinheitlichen. Schon wieder kein Wettbewerb. Dabei blieb nicht nur der gute deutsche Diplom-Ingenieur auf der Strecke”
Ja, das war aber nicht von der EU verschuldet, sondern deutscher Übereifer. Keine EU-Verordnung etc. pp. hat von Deutschland oder den deutschen Unis verlangt, Magister und Diplom abzuschaffen.
Die Professoren saßen einfach zu lange auf ihren Hintern und haben nicht rechtzeitig gegen die deutschen (!) Politiker opponiert.
Vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/Bologna-Prozess#Umsetzung_in_Deutschland
Grundsätzlich: Zustimmung. Vielfalt ist Trumpf. Aber bitte: die Fakten müssen auch stimmen. Und Bologna ist IMHO ein denkbar schlechtes Beispiel.
Kurz und gut: die EU-Kommission muss abhängig sein vom EU-Parlament, nicht von den nationalen Regierungen.