In Syrien mordet Assad weiter. In Ägypten haben die Militärs nur die Galionsfigur genommen und herrschen weiter. In Lybien führen ehemalige Gaddafi-Minister einen “Übergangsrat” und wollen die Scharia einführen. In Bahrein herrscht Friedhofsruhe. Vom Jemen hört man auch nichts mehr. Es scheint als ob eine Freiheitsbewegung zu Ende ist, bevor sie begann.
Ich war im Frühjahr voller Hoffnung. Denn auf dem Tahir-Platz war von Freiheit die Rede, in Tunesien, wo alles seinen Anfang nahm, schien eine Revolution zu beginnen. Auch von dort hört man nichts mehr.
Natürlich ist das ein Zwischenstand und in Kairo gehen sie schon wieder auf die Strasse. Aber sobald angeblich ein paar Handzettel verteilt werden, richtet sich der Volkszorn nicht mehr gegen die Militärdiktatur sondern gegen Israel, das seine alte Rolle in der arabischen Welt als Blitzableiter auch in Jordanien wieder gefunden zu haben scheint.
Keine politische Revolution verläuft linear. Aber uns steckt noch der Schrecken von Teheran in den Klamotten, als Khomeni sich einer freiheitsliebenden Revolution bemächtigte. Das war in den Siebzigern. Und die Mullahs haben aus dem einst prosperierenden Land einen Staat gemacht, der nicht mal genug Benzin für den Eigenbedarf produziert. Und als eine der wenigen organisierten Kräfte versuchen sich die Muslimbrüder in Ägypten bereits wieder in Stelllung zu bringen.
Ohne die Unterstützung des westlichen Militärs ist eine Revolution ohne hin wohl kaum möglich. Selbst in Lybien hat es ein halbes Jahr gedauert, in Bahrein erledigten die Saudis den Volksaufstand und von Syrien reden wir lieber erst gar nicht.
Darüber hinaus entsteht die Gefahr, dass die Revolution nicht nur ihre Kinder sondern auch den Staat Israel frisst, der nicht weiß, wie er mit der Situation umgehen soll.
Dabei ist die Existenz Israels wohl langfristig in einem freien und prosperierenden Nahen Osten möglich, wo es allen Völkern lohnender erscheint, miteinander Handel zu treiben und voneinander zu profitieren.
Dass das nicht unmöglich ist, zeigt die europäische Geschichte, insbesondere die deutsch-französische Beziehung, die über Jahrhunderte von Mord und Totschlag geprägt war. Als in beiden Ländern demokratische Rechtsstaaten und nicht länger wenigstens in einem Diktaturen herrschten, hat sich das erledigt.
9 comments
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17. September 2011 at 16:26
robert
es hat jahrtausende der barbarei benoetigt, bis sich im westen die rechtstaatlichkeit und demokratie durchsetzen konnte, nachdem sie jahrhundertelang natuerlich wuchs. und jetzt soll sie in einer region aufpoppen, in der es nicht nur dieses samenkorn nicht gab, sondern noch nicht einmal den mutterboden 😀
das war dann doch ein klein wenig unschuldig von dir ^^
17. September 2011 at 17:17
Carl M.
Nun, robert, so habe ich an an anderer Stelle auch schon kommentiert:
= Auch ich bin ein Fan der Freiheit; aber wie definiert sie sich dort, wo seit Jahrhunderten ein feudales System das Leben der Menschen bestimmte? Hat Facebook im Schnelldurchgang erreicht, was im Europa der Aufklärung mühsam erkämpft werden musste? Über viele Generationen? =
Aber der geschätzte euckenserbe wies in einer Antwort darauf hin, dass sich europäische Militärdiktaturen (Spanien etc.) zu Musterdemokratien wandeln konnten; auch südamerikanische (Chile etc).
Nun, in diesen Ländern gab es den Mutterboden. Mutige Leute mussten nur die Samenkörner auspacken.
17. September 2011 at 18:01
Alreech
nach jedem Herbst kommt irgendwann mal auch wieder ein Frühling.
Der Dschinn der Freiheit ist aus der Lampe, und wird kaum wieder darin zurückkehren.
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Natürlich folgt die Geschichte keinen festgelegten Bahnen, aber ich gehe davon aus das die meisten Araber vernünftige Menschen sind die trotz aller Lippenbekenntnisse zu den Palis und zum Islam keinen Lust darauf haben einen Krieg vom Zaun zu brechen oder das Theokratische System des Irans zu übernehmen.
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Hätte ich ein negativeres Menschenbild würde ich es natürlich schlimm finden das die Säkularen Diktaturen gestürzt wurden… Es war ja nicht alles schlecht…
17. September 2011 at 23:00
Carl M.
Tja, Alreech, bevor ich gleich zum Wort zum Sonntag vom Papst umschalte, nur soviel:
Die vernüftigen Araber sind aber extrem in der Minderheit. Und sie können sich kein Religions-Bashing leisten, wie es hierzulande à la mode ist (wenn es um die christliche geht). Und toleriert wird in einer säkularen Gesellschaft, aber nicht….ja eben da. Scharia als Basis eines Rechtstaates? Nicht vereinbar mit dem Code Napoleon.
Sag’ ich als Demokrat und völlig konfessionslos.
18. September 2011 at 10:07
euckenserbe
Ich wäre immer etwas vorsichtig mit der Beurteilung der Fähigkeiten anderer Völker und von Individuen. Das Eigennutzaxiom hat schon ungeahnte Entwicklungen hervorgebracht. Und die Leute in Arabien gehen nicht auf die Strasse, um die Scharia durchzusetzen, sondern um eine wirtschaftliche Perspektive zu bekommen. Arbeit, Essen, Fernseher, Auto. Wie im Osten 89. Dabei entstehen zwei Fragen:
1. Können sie sich gegen das Establishment durchsetzen?
2. Lassen sie sich vor den falschen Karren etwa der Islamisten spannen, wenn sie die Geduld verlieren?
18. September 2011 at 20:24
Carl M.
= Lassen sie sich vor den falschen Karren etwa der Islamisten spannen, wenn sie die Geduld verlieren? =
Habe ich mich verhört? Hat der Übergangsrat in Libyen nicht angeregt, die Scharia in die Verfassung zu schreiben?
Und: Es gibt in Ägypten nur eine wirklich starke politische Strömung; und das sind die Muslimbrüder.
Von wegen falscher Karren: Ohne eine starke säkulare Gegenbewegung von innen heraus wird der Islam immer seine politische Dominanz behaupten können. Und wir reden hier nicht vom “Islamismus”. Der Islam ist eine politische Religion (und keine Privatsache, wie der Katholizismus bei uns).
18. September 2011 at 14:58
Alreech
Sogar bei uns ist es so, das eine der beiden großen Volksparteien in Deutschland mit dem Bezug auf die Katholische Soziallehre religiöse Fundamente für ihre Politik verwendet…
18. September 2011 at 20:14
Carl M.
Es macht schon einen Unterschied, ob eine Partei sich auf religiöse Werte bezieht oder die Verfassung eines Landes einem religiösem Dogma folgt (unser Grundgesetz kennt keinen Gottesbezug; in der Schweizer Präambel gibt es ihn schon).
19. September 2011 at 13:46
robert
und wenn wir spanien ins spiel bringen: franco hat die macht nicht ans volk, sondern ein koenigshaus abgegeben. dass daraufhin die macht ans volk ging, duerfte er sicherlich nicht als sein erbe angesehen haben ^^ des weiteren haben sich demokratien stets nur nach blutigen (buerger)kriegen entwickelt, als nach so vielen toten die menschen endlich aufgewacht sind und festgestellt haben, dass man vielleicht doch einen neuen weg einschlagen muss, weil ansonsten bsld nichts mehr uebrig sein duerfte, was den namen gesellschaft verdient. des weiteren fordern mittlerweile schon in lybien die “moderaten” (^^) das naechste barbarensystem 😀