Das Wirtschaftswachstum, das wir im wesentlichen den Schwellenländern zu verdanken haben, täuscht darüber hinweg, dass sich die Weltwirtschaftsordnung nach wie vor in einem maroden Zustand befinden. Das System kommunzierender Röhren zwischen künstlich aufgeblähten Banken und überschuldeten Staaten ist nicht überlebensfähig. Es bleibt nur die Chance einer halbwegs kontrollierten Implosion oder einer echten “Kernschmelze”. Da fortwährend Öl ins Feuer gegossen wird, spricht viel für die zweite Alternative.
Die Schulden der Staaten stehen in den Büchern der privaten Banken. Einst mit den besten Ratings bewertet, eine scheinbar sichere Anlage und zum Kurswert notiert. Die früheren Kurssteigerungen der Staatsanleihen haben zu Scheingewinnen in den Büchern geführt, die jetzt bei einer drohenden Abwertung oder tatsächlichen Kursverlusten wie bei den griechischen Staatsanleihen zu realen Verlusten in den Büchern der Banken in London, Paris und Frankfurt führen. Dass ausser der Hypo Real Estate und vielleicht den anfälligen staatlichen Landesbanken in Deutschland die Privatbanken nicht in ihrer Existenz bedroht sind liegt am privaten Einlagensicherungsfonds: Jede private Bank haftet für die Einlagen der anderen. Und deshalb schauen die sich gegenseitig auf den Finger. Ein System, das europaweit implementiert werden könnte und klare Regeln statt staatlicher Regulierung setzt.
Der wahre Grund, warum die vermeintlich starken Euro-Staaten den schwachen zur Hilfe kommen ist nicht die uneingeschränkte Solidarität, sondern die Sorge, dass man die privaten Banken in London und Paris, aber auch ihre Tochtergesellschaften in Dublin damit in Gefahr bringt. Und die haben ja schon gelernt, wie man den Staat dann erpresst, um ihre Verluste zu sozialisieren.
Denn auf Dauer sind die Staatsschulden zu erdrückend. Das Bankhaus Wegelin, deren regelmässige “Anlegerkommentare” man nur empfehlen kann, hat ausgerechnet, dass dem nächsten Rettungsschirm real 250 Mrd. € zur Verfügung stehen. Der Umschuldungs- und Finanzbedarf der PIIG – Staaten (Portugal, Italien, Irland, Griechenland) und Spanien beläuft sich aber allein in den nächsten drei Jahren auf eine Billion. Soviel Staatsanleihen kann die EZB gar nicht kaufen, um die Differenz zu schließen.
Schließlich haben alle Euro-Staaten gemeinsam rund 6 Billionen Schulden am Kapitalmarkt, von denen (ohne die Aufnahme neuer Schuldern) sicherlich noch einmal eine Billion im gleichen Zeitraum zu refinanzieren ist (alte Staatsanleihen laufen aus und müssen zurück gezahlt werden, um das zu können, müssen die Staaten erst neue Papiere begeben).
Anders gesagt: Die Lage ist aussichtslos und Deutschland ist auch nur ein bisschen weniger pleite als der Rest Europas. Das multiple Organversagen der Staaten in den vergangenen drei Jahren steht dabei im gegenteiligen Verhältnis zur aufgekommenen Staatsgläubigkeit und zur Anmaßung nicht nur von Wissen der politischen Klasse, die hinter der Monstranz der “Alternativlosigkeit” die eigene Panik und die selbstverschuldete Ratlosigkeit verbirgt. Dass das nicht nur auf Merkel, Westerwelle und Konsorten zutrifft, sondern auch auf den Rest Europas, macht die Sache nicht besser.
Allerdings empfehle ich nicht nur wegen des “Royal Wedding” einen Blick auf die Insel der Seligen, wo eine konservativ-liberale Regierung beherzt die Scherben zusammenkehrt, die ihr Labour hinterlassen hat und spart und gleichzeitig die Unternehmenssteuer senkt! Die Briten haben auch das Pfund. Und dessen Kurs wird steigen. Nicht heute, nicht nächste Woche, aber spätestens wenn klar wird, dass sich nicht nur die Amerikaner hoffnungslos mit dem Anspruch übernommen haben, mit der virtuellen Notenpresse die Welt zu retten.
3 comments
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29. April 2011 at 22:24
Marcus
Beänstigend.
Allerdings halte ich den Blick auf Britannia für verfehlt. In Punkto Wirtschaftswachstum ist die Insel am Abkacken. Und außer Finanzdienstleistungen ist Good Ol’ England auch nicht in der Lage, großartig für die Welt zu liefern.
Frage: Wärst Du Politiker, was würdest Du machen? Die Banken gegenseitig für sich haften zu lassen, ist ja auch keine Alternative, wenn sie alle auf Schrottpapieren sitzen.
Wäre nicht eine einmalige Sanierungsabgabe – nicht gemessen an der Zukunft, sondern an einem Vermögensstand der jüngeren Vergangenheit – die bessere Alternative zu einer finanzwirtschaftlichen Kernschmelze?
30. April 2011 at 11:25
euckenserbe
Das macht einen eigenen Blog-Eintrag aus. Es gibt nur zwei dauerhaft wirksame Massnahmen:
Konkurrierendes Geld oder Golddeckung (österreichische Schule) und Rückkehr zum Prinzip der kaufmännischen Vorsicht bei der Bilanzierung (Niederstwertprinzip): So verschwinden Scheingewinne und Scheingeld. Ausserdem darf die Bilanz einer Bank nicht mehr das Vielfaches ihrer Volkswirtschaft ausmachen.
Ohne Insolvenzen und Schließungen, also Gläubigerverzicht wird das nicht gehen. Es macht keinen Sinn, erst die Verluste mit Steuergeldern auszugleichen, um dann von den “vermögenden”, denen man das Geld gerade geschenkt hat, eine “Sonderabgabe ” einzufordern. Tatsächlich brauchen wir ein neues Steuersystem mit einfachen Sätzen und ohne Ausnahme, wo sich die mit hohem Einkommen nicht länger mit wertschöpfungsreduzierenden Anlagen arm rechnen können.
30. April 2011 at 12:44
Marcus
Zum eigenen Blogeintrag würde ich nur ermutigen 😉
Und die gigantischen Geldmengen, die alltäglich über die Finanzmärkte schwappen, sind die nicht auch ein Problem? Ich bin mir nicht sicher, aber sind die gigantischen Gewinne, die eine Finanzindustrie oftmals unabhängig von realwirtschaftlichen Entwicklungen gemacht hat, nicht in erster Linie ein Resultat dieser Geldmengenerweiterung?