Seit rund fünf Jahren leiste ich mir die Freude, hier meine liberalen Erkenntnisse einer weitgehend desinteressierten Öffentlichkeit zur Verfügung zu stellen. Das Experiment, durch hohe Nutzerzahlen gar ein wenig Geld einzunehmen, mit dem die Ausgaben der früher legendären Stammtische in der Berliner Tiergartenquelle refinanziert werden könnten, ist längst ad acta gelegt. Auch die Hoffnung, durch Vernetzung und Bestärkung der verschiedenen Aggregate und Einzelblogs ein wenig Einfluss auf den gesellschaftlichen Mainstream zu erreichen, hat sich zerschlagen. Bleibt die einzige Motivation, der Nachwelt gegenüber zu dokumentieren, dass diejenigen nicht die Wahrheit sagen, die hinterher wieder behaupten, es habe ja keiner gewusst respektive wissen können.
Wenn man seine klaren liberalen Ansichten heute in der Öffentlichkeit äußert, kann sich dies als geschäftsschädigend erweisen. Obwohl in manchem Einzelgespräch schnell herausstellt, dass das Gegenüber mittlerweile auch zögerlich mit der Mitteilung des eigenen politischen Standpunkts ist, wenn der vom ökosozialistischem Main-Stream allzu weit abweicht.
Auch kann man immer wieder erkennen, dass sich das deutsche Bürgertum leicht umstimmen lässt, wenn etwa der Sachverhalt der Euro-Rettung und der Bankenkrise einmal im Zusammenhang beleuchtet wird.
Aber unsere guten Argumente verlassen nicht das Biotop der liberalen Blogosphäre oder ihr Pendant in der Welt da draussen von Hayek-Gesellschaft über Stiftung Marktwirtschaft bis hin zu Frank Schäfflers “liberalen Aufbruch”. Jeder kocht hier gerne sein eigenes Süppchen und die Kleinteiligkeit der Szene ermöglicht es den Medien leicht, sie ganz versehentlich zu übersehen. Autoren wie Broder oder Fleischhauer erfüllen dabei längst die Funktion des Feigenblatts, mit dem der Mainstream eine Toleranz suggeriert, die ihm längst abhanden gekommen ist.
Liberalismus und Organisation sind ein Widerspruch in sich. Aber gerade weil die FDP als politische Heimat des Liberalismus derzeit ausfällt, muss dem Mindestmaß an Gemeinsamkeit ein Teil des gepflegten Individualismus zum Opfer fallen, um wenigstens die Schnittmenge der verschiedenen liberalen und libertären Standpunkte öffentlich sichtbar zu machen und auch die erforderlichen Mittel einzuwerben, um der Sache überhaupt Gewicht zu verleihen.
Wahrscheinlich aber harren wir der Dinge in unserem Ghetto der Meinungsfreiheit, das von den Ställen für die heiligen Kühe eingegrenzt wird, die die öffentliche Meinung vom Atomkraftausstieg bis zur Frauenquote beherrschen und die nicht mehr und nicht weniger bedeuten wie das Ende der Aufklärung.
Dass Appeasement des parteipolitischen Liberalismus, dass um des Machterhalt willens versucht, dem grünen Mainstream nach dem Mund zu reden, ist der eigentliche Grund für den Untergang. Bevor man darüber nachdenkt, nicht nur Steuersenkungspartei sein zu wollen, sollte man wenigstens einmal die versprochene Steuerreform auf den Weg gebracht haben. Aber das ist ja ein ganz anderes Thema.
5 comments
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31. March 2011 at 11:52
Helga
Just my 2 cents:
dem linken Kollektivismus ein liberales Pendant gegenüber zu stellen, klingt zwar verführerisch, ist aber der falsche Ansatz, da genau hierdurch liberale Prinzipien über Bord gehen. Ein Streit der Ideologien führt zu nichts. Der Widerstand gegen das linke Dogma funktioniert nur über den Verweis auf Gemeinsamkeiten: Wer sich in einem Punkt einig ist, streitet auf Augenhöhe. Diese Gemeinsamkeit kann nur ein pragmatisches Selbstverständnis als Demokrat (und eben nicht als “Liberaler”) sein – erst dann können auch liberale Argumente in die Arena geworfen werden. Die arg zersplitterte liberale/libertäre Szene ist dabei äußerst hilfreich, da Meinungsbildend.
31. March 2011 at 12:10
Rika
@ “Wahrscheinlich aber harren wir der Dinge in unserem Ghetto der Meinungsfreiheit, das von den Ställen für die heiligen Kühe eingegrenzt wird, die die öffentliche Meinung vom Atomkraftausstieg bis zur Frauenquote beherrschen und die nicht mehr und nicht weniger bedeuten wie das Ende der Aufklärung.”
Eine ganz wunderbare Formulierung, besonders die “Ställe für die heiligen Kühe” gefallen mir außerdordentllich gut… ich habe nun die stille Befürchtung, ohne mein bewußtes Wollen so ein Stallbewohner zu sein…
Nicht, dass ich selbst zur Kuh mutiert wäre, aber meine Ansichten könnten Kuhcharakter haben.
Ein Herkules muss her, der die Ställe ausmistet und Luft und Licht ins Ghetto bringt!
Neulich, in einer der Ghettoshows, der Altliberale G. Baum mit einem trauernden Rückblick auf die Zeiten, als die Liberalen nicht auf’s Steuersenken reduziert waren, sondern bei ihnen die bürgerlichen Tugenden beheimatet waren, die heute so gerne die neuen grünen Männchen für sich beanspruchen….
Wie sich die Zeiten ändern…
31. March 2011 at 12:16
euckenserbe
@helga: D´accord: Es geht nicht um einen liberalen Kollektivismus, sondern um Organisation, die bei aller Vielfalt und Unterschiedlichkeit das Gemeinsame betont, statt mit abnehmender Distanz rigoroser in deren Beurteilung zu werden.
@Rika: Ein Herkules allein wird es nicht richten. Sondern nur viele fleißige Hände die mit Mistgabeln bewaffnet die Kühe zum Schlachtfest treiben.
31. March 2011 at 13:02
Rika
Oh, ich fand die Assoziationskette so schön … Kühe … Ställe und dachte deshalb schon an den Herkules der griechischen Mythologie, der die schier unlösbare Aufgabe meistert, indem er zwei Flüsse durch die Ställe leitet… Mistgabeln scheinen mir angesichts der Problemstellung eher unangebracht, auch wenn viele die Gabeln schwingen würden.
Dennoch müssen sich viele der Arbeit annehmen, keine Frage. 😉
31. March 2011 at 16:54
boxi
der liberalismus ist tot, es lebe der liberalismus. die fdp war ja leider nie wirklich liberal… und sie scheint nun ja auch für die nächsten jahre erstmal vom tisch zu sein, vielleicht ja für immer. bleibt noch die piratenpartei, aber die müssen erstmal die 5% hürde knacken. vielleicht ja in berlin?