Per Volksentscheid hat die Gucci-Apo entschieden. Eine Hysteriewelle mit sarrazynischen Unterströmungen riss die Reform fort und unterspült auf viele Jahre auch jede Ambition anderer Bundesländer, ihre Schulen neu zu justieren.
Jochen Leffert (der Autor jener Zeilen) ist selbst laut Spiegel “empört”. Neben der Schulreform ging schließlich die Lieblingskonstellation aufgeklärter Redakteure flöten: Schwarz-Gelb in Hamburg. Und das nur, weil ein paar Großbürger ihr Kind nicht mit Machmut und Schantal in eine Klasse schicken wollen.
Damit mich keiner falsch versteht: Meine Tochter ging in Berlin – wie in HH gedacht – sechs Jahre in die Grundschule. Und das war gut so, weil sie nicht allzu früh mit den pubertierenden Einflüssen der älteren Gymnasiasten konfrontiert wurde. Sie durfte länger Kind sein.
Allerdings lassen die PISA-Untersuchungen jeden Beweis vermissen, dass sich dieses “längere gemeinsame Lernen” irgendwie auf die Qualität der Bildung in Berliner Schulen flächendeckend ausgewirkt hätte.
Auch das Allheilmittel “Gemeinschaftsschule” versagt bei der Einführung in Berlin. In einer Kreuzberger Kneipe traf ich unlängst das frühere Kollegium einer Hauptschule, die nun wie einst die SPD mit der Realschule zwangsvereinigt wurde. Wenigstens auf getrennte Weihnachtsfeiern legte man allerdings Wert.
Lefferts Schmäh-Attacke ist aber ein weiterer Beleg für das Auseinanderdriften von gesundem Volksempfinden und veröffentlichter Meinung.
Weil das Volk nicht so abstimmte, wie sich der gemeine “Linksliberale” im Spiegel-Hochhaus das vorstellte, wird es mit Schmähattacken überzogen. Fehlt nur noch, dass per Volksabstimmung der Klimawandel abgeschafft wird.
Lefferts Geseiere ist ein Ausdruck der Schere im Kopf, mit der solche Leute die Welt nicht nur sehen – sondern auch noch vermeintlich beschreiben – als Wille und Vorstellung (Schopenhauer). Was nicht in´s vorgefertigte Bild passt, wird vorsichtshalber gar nicht erst wahrgenommen. Lässt es sich nicht verleugnen, so kann man es vom möglichst hohen moralischen Roß gepflegt aburteilen.
Wer wie ich seit 11 Jahren als Elternvertreter den rauhen Schulalltag kennen gelernt hat, weiß eins. Gut gemeinte Reformen sind meist schlecht gemacht. Darunter leiden die Kinder. Weil die Verwaltung gar nicht intellektuell in der Lage ist, die erforderlichen Vorschriften und Erlasse rechtzeitig zu entwerfen und auszufertigen, hängt an den Schulen das blanke Chaos. Schüler, Lehrer und Schulleiter kommen aus dem Improvisieren gar nicht mehr raus.
Das beste wäre es, es eben diesen Menschen zu überlassen, wie sie Schule organisieren und lediglich einheitliche Standards festzulegen, die definieren, was ein Schüler nach der vierten, sechsten, achten und zehnten Klasse und nach dem Abitur können muss.
Aber dafür brauchte man ja keinen schreibenden Eiferer. Als Gucci-Revolution wollte man übrigens auch in bestimmten Kreisen die Grüne Revolution im Iran in 2009 diffamieren. Solche Parallelen sind mehr als nur zufällig.
6 comments
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27. December 2010 at 21:38
Alreech
Hm, das gesunde Volksempfinden ist ein negativ besetzter Begriff, und sollte es auch bleiben.
Innerhalb des Bildungsbürgertums gibt es natürlich ein gesundes Volksempfinden, das sich klar – zumindest öffentlich – zum längeren gemeinsamen Lernen und zur Abschaffung des dreigliedrigen Schulsystems bekennt.
Was diese Leute allerdings nicht davon abhält alles zu tun damit ihre Kinder später mal aufs Gymnasium kommen, Abi machen und dann irgendetwas – egal was, hauptsache Akademiker – auf Kosten des Steuerzahlers studieren können.
Und wenn das Kind den ungeheuren Leistungsdruck nicht standhält wird es eben auf eine Waldorfschule geschickt…
Aus diesem Grund ist der Begriff “gesunde Volksempfinden” zu Recht negativ besetzt. Er dient Heuchlern dazu ihre moralischen Vorstellungen anderen aufzuzwingen.
Kleines Beispiel gefällig ?
Der bayrische Innenminister hetzt seit Jahren gegen “Killerspiele”, die “In ihren schädlichen Auswirkungen auf einer Stufe mit Drogen und Kinderpornografie stehen, deren Verbot zurecht niemand in Frage stellt”
Jeder der ein gesundes Volksempfinden hat wird doch das Verbot von Kinderpornographie und Drogen nicht in Frage stellen, oder ?
Wer jetzt einwendet das Kinderpornographie nicht verboten ist weil sie dem Konsumenten schadet, sondern weil zur ihrer Herstellung Kinder vergewaltigt werden…
Wer jetzt einwendet das Drogen wie Alkohol immer noch nicht verboten sind…
wer jetzt einwendet das der bayrische Innenminister noch kein einziges Wort zu auktuell aufgedeckten Fällen von sexuellen Misbrauch von Kindern durch katholische Geistliche verloren hat, aber schon viel Wörter über Killerspiele…
… der kann doch nur ein Schuft sein, der sich gegen das gesunde Volksempfinden stellt, oder ?
Und wie man mit solchen asozialen Subjekten umzugehen hat kennt man ja in Deutschland, oder ?
28. December 2010 at 01:03
Andreas
Der Artikel ist falsch verlinkt:
http://www.spiegel.de/schulspiegel/wissen/0,1518,druck-735276,00.html
28. December 2010 at 16:40
euckenserbe
Vielen Dank. Der Link im Text stammt vom Spiegel selbst. Ich habe mir bei besonders abschreckenden Beispielen abgewöhnt, einen Link zu setzen, weil das der Redaktion in diesem Fall Zustimmung signalisiert.
28. December 2010 at 08:40
euckenserbe
Die Verwendung des Begriffes “gesundes Volksempfinden” stellt offensichtlich die gewollte Provokation sicher, wie der Kommentar zeigt.
1. Die Hypothese, dass sich das Bildungsbürgertum “zumindest öffentlich” für die Abschaffung des dreigliedrigen Schulsystems ausspricht, halte ich für falsch und durch die Volksabstimmung in HH auch für widerlegt.
2. Auch die Agititation des zitierten bayerischen Innenministers steht eben im gegenteiligen Zusammenhang. Der nimmt eine vermutete öffentliche Meinung für sich in Anspruch und stützt sich nicht auf Mehrheitsverhältnisse. Demoskopie ist hier völlig wirkungslos, weil sie lediglich die Erwartung der Demoskopen reflektiert.
Meine Tochter ist auf einem Gymnasium, das eingedenk der ständigen Reformitis leidet. Ich kann bei ihr und ihren Freunden keinen überhöhten Leistungsdruck erkennen. Dass sie im Anschluss keine Schlosserlehre macht, ist zielführend. Allerdings wird sie wahrscheinlich nicht dem deutschen Steuerzahler auf der Tasche liegen, sondern lieber auf einer ordentlichen Universität studieren – in Großbritannien.
28. December 2010 at 18:18
Alreech
Warum ist es zielführend das die Tochter nach dem Gymnasium keine Schloßerlehre macht ? 😉
Nach drei Jahren Ausbildung könnte sie damit selber für ihren Lebensunterhalt aufkommen, und müsste nicht bei Papi um Geld betteln.
Sollte sie später einmal den Wunsch verspüren Maschinenbau studieren zu wollen bzw selber einen Betrieb zu führen stehen vielfältige Weiterbildungsangebot zur Verfügung.
28. December 2010 at 20:08
christianhannover
also das mit der schlosserlehre sollte sich deine tochter wirklich überlegen. ich ärgere mich bis heute, dass ich vor der uni nicht einen echten beruf gelernt habe. 😀