Vor vierzig Jahren stellte Volkswagen den “K70” vor, der eigentlich der konventionelle Bruder des NSU RO 80 mit Wankelmotor war. Für den Staatskonzern aus Wolfsburg eine Revolution: Front- statt Heckantrieb, Wasser- statt Luftkühlung und Frontmotor statt Heckmotor. Mit einem Schlag sahen Käfer, 1500 und 411 alt aus. So ähnlich ist es mit der Volkswirtschaft: Um die selben Ziele besser zu erfüllen wie in der guten alten Industriegesellschaft, braucht man ganz andere Methoden. Keine fünf Jahre später wurde der frühere Kraft durch Freude – Wagen endgültig ersetzt: Durch den VW Golf.
Der Erfolg des VW Käfer lag in seiner Simplizität. Die Luftkühlung hatte schon auf dem Russland-Feldzug im Kübelwagen die Wehrmacht erst ostwärts und dann heim ins Reich getrieben. Der Motor auf der Antriebsachse machte die Kardanwelle kurz und die Konstruktion einfach, weil anders als beim Frontantrieb die angetriebenen Räder nicht auch noch gelenkt wurden.
Doch das Blitzkrieg-Auto fand in einem englischen Konstrukteur schon Ende der Fünfziger Jahre seinen Meister. Sir Alec Issigonis entwarf den “Mini”. Der hatte den Motor auf der Vorderachse, platzsparend quer eingebaut und wasser gekühlt. Das kleine Auto hatte mehr Platz als der VW, brauchte weniger Benzin und mittlerweile hatte der technische Fortschritt auch dazu geführt, dass die Wasserkühlung nicht auf jeder zweiten Pass-Strasse automatisch zur Überhitzung des Motors und kochenden Kühlern führte. Dafür hatte man anders als bei VW eine schnell anspringende, immer funktionierende Heizung und ein deutlich niedrigeres Fahrzeuggewicht. Schon die “konventionellen” Opel Kadett und Ford Escort (Frontmotor/Heckantrieb) machten es dem einstigen Exportschlager schwer. In Italien und Frankreich adaptierte man sukzessive das Mini-Prinzip und der VW-Konzern geriet an den Rand der Pleite.
Doch VW-Chef Nordhoff, der das einst mit den Sparmarken der “Kraft durch Freude” NS-Gewerkschaft finanzierte Autowerk, das die Briten nicht haben wollten, zum Erfolg geführt hatte, hielt eisern am Käfer-Prinzip fest.
Heraus kamen so merkwürdige und nicht wettbewerbsfähige Modelle wie der 411 und der komplizierteste Käfer aller Zeiten: Der 1303. Einzelradaufhängung und Doppelvergaser machten eine Leistung von 44 PS möglich. Die Leistungsfähigkeit des Fahrwerks erinnerte an die technische Verwandschaft mit den Porsche Modellen 356 und 911. Weil man nie wieder auf Touren kam, konnte man sich in mancher Kurve leisten, auf dem Gas stehen zu bleiben, ohne dass das Auto über die Vorderachse in´s aus schob. Doch der Käfer-Express kostete IC-Zuschlag. Der Benzinverbrauch in Zeiten der ersten Ölkrise wuchs nicht linear sondern exponentiell. Die Porsche-Sportwagen zeigten derweil, was man mit luftgekühlten Heckmotoren alles anstellen könnte. Und weil das Ziel hier ein anderes war, scheiterte der Versuch, den 911 durch den konventionellen 928 mit wassergekühltem Achtzylinder und Trans-Axle-Bauweise (Getriebe direkt auf der angetriebenen Hinterachse) abzulösen. Wer einmal den Schlüssel eines 11ers auf der linken Seite des Lenkrads gedreht hat, wusste, dass schon der Sound einzigartig war. Aber hier ging es nicht um wirtschaftliche Volkswagen.
Der Golf brachte die Rettung in letzter Minute. Er war in Wahrheit ein verkürzter Audi 80 mit gedrosseltem Motor und einer von einem italienischen Design-Studio entworfenen gefälligen Karosserie. Sonst wäre der Staatskonzern VW bereits Anfang der Siebziger Jahre pleite gewesen.
Deutschland, die meisten repräsentativen Demokratien, verhalten sich wie Prof. Nordhoff: Sie machen ein einst durch seine geniale Einfachheit erfolgreiches System immer komplizierter. Scheitert eine Lösung an ihrer Komplexität, so wird diese erhöht und nicht reduziert.
Eine umlagefinanzierte Sozialversicherung mag in einer Gesellschaft mit einer hohen Geburtenrate, Vollbeschäftigung und niedrigerer Lebenserwartung ein hervorragendes System sein. Bei sinkenden Geburten, fehlender Vollbeschäftigung und extrem schnell steigender Lebenserwartung bei gleichbleibendem Renteneintrittsalter ist sie es nicht mehr. Da ist die Kapitaldeckung zwangsweise im Vorteil, wenn sie nicht auf staatlichem Scheingeld beruht.
Eine Gesellschaft die auf industrieller Erwerbsarbeit beruht, braucht ein anderes Steuersystem als eine Gesellschaft, die viel mehr Einkommensarten für ihre Bürger kennt.
Wo das Leben vielfältiger und individueller wird und “Erwerbsbiographien” sich deutlich unterscheiden, wird es nicht mehr gelingen, jeden Einzelfall per Gesetz vorher zu sehen.
Der Abschied von der Golddeckung mag in einer Gesellschaft möglich gewesen sein, in der man wirksame Kapitalverkehrskontrollen kannte und aufgrund der analogen Kommunikation die Umlaufgeschwindigkeit des Scheingeldes gering war. In einer digitalen Welt, in der die Geschwindigkeit und die Kosten der Kommunikation sich in gegenteilige Richtungen aber mit dem gleichen Impact exponentiell entwickeln, explodiert die Umlaufgeschwindigkeit des Geldes. Hier ist nicht Geldmangel die Gefahr sondern das Aufpumpen immer neuer Blasen mit überflüssigen Scheingeld.
Heute haben wir nicht mehr drei Produktionsfaktoren: Arbeit, Boden und Kapital. Sondern vier: Wissen ist der entscheidende Faktor für Wohlstand und Wachstum. Wer ein Bildungssystem bei Abwesenheit von Wettbewerb betreibt, hat schon verloren.
Auch eine Gesellschaft unterliegt der Evolution. Es gilt, sich an wechselnde Rahmenbedingungen anzupassen statt dem Irrtum zu unterliegen, man könne sie definieren.
4 comments
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31. October 2010 at 18:04
Mister Unbekannt
Möglich ist ein Abschied einer Golddeckung immer, nur steht nichts dafür. Es stand auch früher nichts dafür, da politisches Kalkül hinter dem Papiergeld steckt. Mit der Umlaufgeschwindigkeit des Geldes hat es nichts zu tun ob man Gold oder Papier benutzen sollt. Es geht um die Freiheit des Bürgers, den Schutz des Eigentums. Geldmangel gibt es nicht. Die Einheiten werden dann einfach verkleinert.
Steuern sind Raub, Wissen gab es auch zu Zeiten der industriellen revolution und ist keine moderne Neuerscheinung, Bildung selbst braucht Wettbewerb und darf nicht als Rekrutierung für Arbeitskräfte gesehen werden. Eine freie Gesellschaft ist nicht so verplant, dass ein jedes Kind in Richtung einer Branche getrimmt die schule besucht. Ich finde den artikel schlecht. Zu wenig libertäres gedankengut, keine österreichische schule der nationalökonomie, zu staatsgläubig. Von liberalen erwarte ich mehr.
2. November 2010 at 11:57
euckenserbe
es fällt dem Autor schwer, dem Kommentator zu verstehen. Wir sind hier ausdrücklich nicht libertär sondern ich bin ordoliberal, was nicht im Widerspruch zur österreichischen Schule steht. Das nur zur Klarstellung.
1. November 2010 at 23:54
Christian S.
“Heute haben wir nicht mehr drei Produktionsfaktoren: Arbeit, Boden und Kapital. Sondern vier: Wissen ist der entscheidende Faktor für Wohlstand und Wachstum.”
Wissen alleine bringt ja nichts, erst Arbeit macht das Wissen zu Geld. Insofern sehe ich keine grundlegend neue Situation.
2. November 2010 at 04:08
lukas
Boden alleine ist auch nicht so besonders…