Beim Nullsummenspiel gewinnt immer der eine, was der andere verliert. So funktioniert die Demoskopie. Verliert irgend eine Partei an Zustimmung, so muss zwangsläufig eine andere Partei den selben Prozentsatz gewinnen. Die Welt als Kuchen. Derzeit verliert die Regierung und die Opposition gewinnt. Das ist übrigens immer so, wenn es eine neue Regierung gibt. Aber es verleitet den Politiker zu der falschen Einsicht, dass er die Wähler nur von der Gegenseite zurückgewinnen müsste, um seine Mehrheit wiederherzustellen. Und das ist ein Irrtum. Das Leben ist eben doch kein Nullsummenspiel.
In der Ökonomie nennt man ein solches Phänomen einen falschen Anreiz. Wer sich von ihnen abwendet, wechselt nicht zur Gegenseite. Er geht nicht zur Wahl.
Alleine die grün- politisch korrekten Salon-Solar-Sozialisten profitieren derzeit von ihrem Teflon-Image. Das gutbürgerliche Establishment schaut nicht ins Parteiprogramm und wählt beim Telefoninterview die Partei, die ihm einerseits als kleinstes Übel erscheint. Dass sie daneben auch noch für den Klimaschutz ist, macht die Sache ja nicht schlechter. Da denken die Nachbarn nichts schlechtes.
Als Helmut Kohl 1995 bei seinem allsommerlichen Auftritt vor der Bundespressekonferenz nach den Umfragewerten gefragt wurde, erwähnte er den vormaligen Kanzlerkandidaten Rudolf Scharping. Der habe im Vorjahr auch in den Umfragen vorne gelegen und kommentiere nun für die Bild-Zeitung die Tour de France.
Die Demoskopie ist immun gegen ihre Falsifizierung: Ihr Wahrheitsgehalt kann nicht überprüft werden. Regelmäßig differieren Wahlergebnisse und Meinungsumfragen erheblich, was mit dem schnelleren Wandel des Wählerwillens begründet wird. Ob das stimmt, kann keiner überprüfen. Um den vermeintlichen Wählerwillen zu generieren, werden gerade mal 1.000 Bürger befragt, die angeblich “repräsentativ” sein sollen. Dass deren Stimmung und Bereitschaft, über die eigene Meinung einer Menge Einflüsse vom Kampagnenjournalismus über die Kommunikationsstrategie des Politikers bis hin zur suggestiven Fragetechnik beeinflußt werden könnte, kann genauso wenig überprüft werden wie die mathematischen Methoden der Demoskopen, Meinungen abzubilden. Die erhalten wohl meist die Ergebnisse, die sie vorher erwartet haben.
Die Demoskopen messen den Verdruß des Staatsbürgers mit dem politischen System nicht und wiegen den Politiker in einer falschen Sicherheit. Wenn die repräsentative Demoskopie sich nicht der Wirklichkeit anpasst, wird sie scheitern.
4 comments
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3. June 2010 at 21:37
Donauwelle
Das ist halt wie die politische Mitte gemacht wird…
4. June 2010 at 16:23
Donauwelle
Keine Einwände? Dann ist die politische Mitte wohl grün, selbst wenn das erst einmal nur heißt dass bestimmte Leute aus den falschen Gründen das oberflächlich richtige tun und darüber bereitwillig Auskunft geben. Man könnte sich ja auch auf den Standpunkt stellen, dass sich in einer offenen Gesellschaft soetwas wie eine politische Mitte nicht festlegen läßt, weil es nicht möglich ist sie mittels einer Abgrenzung von Rändern oder einer Gegenüberstellung von Innen und Außen zu bestimmen. Dann wäre die gesellschaftliche Mitte ein transzendentales Gebilde, ähnlich wie in Gesellschaften wo sie nie säkularisiert wurde.
5. June 2010 at 14:53
Robroy
>Regelmäßig differieren Wahlergebnisse und Meinungsumfragen erheblich, was mit dem schnelleren Wandel des Wählerwillens begründet wird. Ob das stimmt, kann keiner überprüfen.Um den vermeintlichen Wählerwillen zu generieren, werden gerade mal 1.000 Bürger befragt, die angeblich “repräsentativ” sein sollen.Die Demoskopen messen den Verdruß des Staatsbürgers mit dem politischen System nicht<
Wer sind "die" Demoskopen? Dass Daten über den "Verdruß des Staatsbürgers mit dem politischen System" nicht gesammelt würden, ist jedenfalls unwahr. Es gibt Daten zur Demokratiezufriedenheit, Vertrauen zu Politikern, Institutionen etc. u. pp. Auch hier gilt nur: Darüber erfährt die Allgemeinheit normalerweise nicht, ist für die Medien im Allgemeinen nicht sonderlich interessant (es sei denn, es lässt sich gerade ein punktueller Fund sensationsmäßig ausschlachten).
5. June 2010 at 14:58
Robroy
Sorry, der Kommentar ist irgendwie nicht so angekommen, wie ich ihn eingetippt hatte, ich wollte eigentlich einzelne Aussagen des Beitrages direkt kommentieren. Folgende Teile von mir fehlen noch, die vor dem, was oben angekommen ist, liegen sollten:
So erheblich liegen die Ergebnisse eigentlich meistens nicht daneben. Wenn man sich vergegenwärtigt, was solche Umfragen aussagen (dass das Ergebnis mit hoher Wahrscheinlichkeit ca. +/- 3 Prozentpunkte um den gemessenen Wert liegt), haben solche Umfragen schon ihren Wert. Man darf nur nicht versuchen, da mehr reinzuinterpretieren. Und was die Volatilität des Wählerverhaltens betrifft: Die ist in der empirischen Sozialforschung schon recht gut belegt, mit allen Faktoren, die da so reinspielen (abnehmende Parteibindungen, zunehmender Einfluss kurzfristiger Entscheidungsfaktoren, zurückgehende Wahlnorm, etc.)
Die Anzahl der Befragten ist für die Repräsentativität eher nebensächlich, wichtiger ist, wie sie ausgewählt werden. Zusätzliche Befragte haben hinsichtlich der Verbesserung der Genauigkeit einen abnehmenden Grenznutzen, daher ist es im allgemeinen nicht sinnvoll, deutlich mehr als die 1000-3000 (je nach Institut) zu befragen.
Um die Probleme und Unsicherheiten von Umfragen weiß niemand besser bescheid als die Demoskopen selber. Die Demoskopie ist nicht das Problem, eher ihre mediale Vermittlung, in der auf der Suche nach Nachrichtenwürdigem krampfhaft versucht wird, in Umfrageergebnisse Dinge reinzudeuten, die die Substanz nicht hergibt.