Vor nicht mal einem Monat haben die Briten ein neues Parlament gewählt. Die neue Regierung steht und versucht nun das Defizit mit Einsparungen von über sieben Milliarden Pfund zu bekämpfen.
In Berlin läuft die Krisenbewältigung etwas anders ab:
- Zunächst musste so lange wie möglich über Spekulanten und gierige Käufer von Staatsanleihen geredet werden, bis Medien und Bürger von der Unschuld der Politik, der Rechtfertigung eines europäischen Wirtschaftsregiments und der heiligen Mission der europäischen Schicksalsgemeinschaft überzeugt sind. Obwohl die Bürger in diesem Zusammenhang nicht wirklich wichtig sind, Medien und Eliten reichen völlig aus.
- Als nächstes werden alle Sparvorschläge im Keim erstickt. Kein Ministerium will sich auch nur einen Cent abnehmen lassen, denn es gibt immer wichtige Gründe, warum es “ungerecht” ist, an der ein oder anderen Stelle zu sparen.
- Dann werden Steuererhöhungen lanciert. Diverse Sondersteuern und Abgaben auf Finanztransaktionen (böseböse) oder alles andere, was hinterhältige Heuschrecken so tun. Am besten aber die Mehrwertsteuer um ein paar Prozent erhöhen, denn so muss jeder zahlen und keiner kann sich den staatlichen Raubrittern entziehen.
- Vom Sparen sprechen, aber nicht über das Volumen oder einzusparenden Posten reden. Zu diesem Zeitpunkt schalten sich die Medien mit herzzerreißenden Bildern von Suppenküchen und Sozialhilfeempfängern ein, die nun wirklich nicht über ihre Verhältnisse gelebt haben und darum auch nicht von Sparmaßnahmen betroffen sein dürfen. Das Signal ist klar: Der Sozialetat darf unter keinen Umständen angerührt werden, jeder der es versucht, ist irgendwie Nazi oder ein Büttel der reichen Spekulanten und ihrer Lobby. Und Ursula reibt sich die Hände.
- Zurück zum Tagesgeschäft: Mitten in einer Krise, die dadurch entstanden ist, dass Staaten zuviel Geld ausgegeben haben, überlegen Bund und Länder, Opel mit weiteren Milliarden zu unterstützen. Thüringen hat schon zugesagt, die anderen überlegen noch, wahrscheinlich werden sie alle zahlen. Krise? Welche Krise?
Jedes Jahr nimmt die Wahlbeteiligung ab. Die Bürger vertrauen der Politik nicht mehr und das nicht etwas deswegen, weil sie ihnen nicht versucht, das Leben so kuschelig wie möglich zu machen. Einem Politiker, der alles mögliche verspricht und alles tut, um sich mit dem Wähler gemein zu machen, glauben die Wähler nicht. Und noch schlimmer: Sie nehmen ihn nicht ernst, denn die weich gewaschene Form der öffentlichen Auftritte ist viel zu durchschaubar.
Das letzte Mal, als ein Politiker mit unpopulären Vorstellungen auftrat und diese sine ira et studio ziemlich vernünftig begründete, ist noch gar nicht so lange her. Es ging übrigens auch um Opel und Minister zu Guttenberg war plötzlich der beliebteste Politiker des Landes.
1 comment
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26. May 2010 at 22:33
Donauwelle
Diese Zustandsbeschreibung erinnert nicht ohne Grund an die ehemalige Sowjetunion, und auch das Phänomen Guttenberg ist eine Art deutscher Putin, zumindest was die psychologischen Fundamente seiner Beliebtheit betrifft, und auch im Hinblick auf den Aspekt der geheimdienstlichen Komprimittierung im Lebenslauf wäre eine Analogie wenig überraschend. Dass der Kulmbacher Ersatzvizekanzler bei seinem politischen Börsengang noch als Gralshüter der Außenpolitik gehandelt wurde, dann zum ordnungspolitischen Gewissen heruntergestuft worden ist, und jetzt schließlich als Saubermann ohne Eigenschaften angepriesen wird, dürfte auch die Wertentwicklungskurve des russischen Pendants widerspiegeln.