Westerwelle und kein Ende. Am Freitag konnte man besichtigen, wie die Hauptstadtpresse mit dem Bundesaussenminister umspringt. Ob er seinen Artikel aus der Welt noch einmal vorlesen könnte, wollte da eine Journalistin wissen. Ob er eher Genscher oder Haider nachstrebe, die Zeit habe festgestellt, er habe die Wahl war eine andere Frage. Was er denn mit den Vortragshonoraren gemacht habe, die er richtig und korrekt gegenüber dem Bundestagspräsidenten angezeigt hatte. Keine harte journalistische Fragerunde, sondern der Versuch, den Mann persönlich zu komprimittieren. In Wahrheit geht es nicht um Westerwelle. Wie in den achtziger Jahren pflegt der durch und durch sozialdemokratisierte Journalismus sein Feindbild. Endlich darf er wieder fröhlich zu beissen. Rot und Grün sind in der Opposition und brauchen nicht geschont zu werden, wie zu ihrer Regierungszeit. Während die CDU in der großen Koalition ihre Eignung als sozialdemokratische Regierungspartei bereits hinlänglich unter Beweis gestellt, ist die FDP schon deshalb gefährlich, weil sie sich anschickt, nichts anderes zu tun wie vorher angekündigt. Und die Vorhaben gefährden eine ganze Sozialstaatsindustrie, die um ihre Einnahmen bangen muss. Wenn 700 Mrd. € umverteilt werden müssen, fällt jede Menge für die ab, die umverteilen.
Die Identitätskrise der deutschen veröffentlichten Meinung schien doch gerade mit der Finanzkrise überwunden. Endlich hatte der “Kapitalismus” gepatzt, liess sich das Feindbild von den gierigen Bänkern und den gewissenlosen Spekulanten pflegen. Fast 20 Jahre hatte man das Problem, dass nach der Implosion des Sozialismus allenfalls noch die Öko-Inquisition als Bedrohung des fairen Wettbewerbs herhalten konnte.
Und dann kam die FDP. Die lässt sich jetzt allenfalls als demokratischen Betriebsunfall im demoskopischen Zeitalter geißeln. Leute, das habt ihr doch nicht wirklich gewollt, oder? Wer in den Umfragen als political correct gelten will, gibt an, die Grünen wählen zu wollen. Die retten wenigstens die Erde vor dem bösen CO².
Die Presse ist nicht mehr unabhängig. Sie ist Partei. Sie verletzt nicht nur ihre eigenen Ansprüche. Sie verzerrt die Wirklichkeit. Beispiel gefällig: In der jüngsten Umfrage kommt die NRW-SPD auf 31, die CDU auf 39 und die FDP auf 7%. Die Verluste der FDP bewegen sich in der vermeintlichen Schwankungsbreite und einen Prozent gegenüber dem Wahlergebnis 2005 verloren. Die SPD hat sich seit 2005 kaum erholt und die CDU büßt mehr als 6% ein, fast soviel wie die FDP überhaupt erhielt. Und wie lautet die Schlagzeile, selbst bei Welt Online? Richtig: FDP bricht ein.
Das ist keine Berichterstattung, sondern Propaganda. Die Frage, die sich stellt, ob die publizistischen Sturmgeschütze den ungeliebten Liberalismus tatsächlich sturmreif schießen. Oder nicht.
Für uns alle geht es um mehr. Können wir uns eine tendenziöse Presse leisten, die statt aufzuklären, plump daher kommt und nicht das tut, was ihre eigentliche Aufgabe ist: Die Realität abbilden, statt sie zu verzerren.
11 comments
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27. February 2010 at 20:36
Sesalm
Ja, man, echt traurig. Diese böse Linkspresse. Überall ist sie.
Dass die FDP auch aus liberaler Sicht total abkackt, dass die Springer-Presse, allen voran BILD, seit Wochen Westerwelles Hartz4-Idiotie preist, dass die bundesdeutsche Presse nicht nur aus SZ, ZEIT, Berliner, taz, SPON, FR besteht, sondern auch aus Focus (ich weiß..is grottig), Welt (nicht rentabel), BILD (verdummend, aber höchst rentabel!), MOPO (Oh Gott..sorry), Cicero (DAS konservative Salonblatt), FAZ (ja, da war doch was, ne) wird hier unter den Tisch gekehrt. Letztlich müssen wir vermuten, dass der Autor mit diesem peinlichen Hilflostext nur der linksliberalen Presse das Maul stopfen will. Aber die macht halt, was sie immer gemacht hat. Sie berichtet ausgehend von ihrer linksliberalen Wertekiste. Dabei hat sie Hochkonjunktur, weil Westerwelle, Merkel und Seehofer, samt der GesamtFDP sich auch ohne diese Presse demontieren. Über Häme sollte sich niemand beschweren.
27. February 2010 at 23:32
euckenserbe
Selbst CICERO wurde ja von einem ehemaligen SPD-Spitzenkandidaten übernommen…. Ob ein Medium rentabel ist, ist entscheidend für den Eigentümer, aber nicht für die journalistische Qualität. Interessanterweise erwähnt der Kommentator nicht die Rolle der mit 8 Mrd. € zwangssubventionierten “ö./r.” Medien. Seis drum.
Links und Liberal sind übrigens Gegensätze. Entweder oder. Nicht aber sowohl als auch.
28. February 2010 at 12:37
Sesalm
Die ÖffRech unterstehen dem Proporzgedanken der Parteizentralen. Hier wird die FDP nicht aus ideologischen Gründen kleinbeigegeben haben, sondern hat wohl einfach ihre Leute schlecht platziert. Koalitionspartner Koch hat gezeigt wie man die ‘unabhängige Staatspresse’ zum Schwarzfunk macht.
“Links und Liberal sind übrigens Gegensätze.”
Nee, sehe ich nicht so. Historisch gesehen waren die Liberalen häufig links angesiedelt. Bis 1933 gab’s in Deutschland sogar stets mehrere liberale Parteien, von denen mindestens eine (meiner Ansicht nach: die sympathischere, weil klar demokratische) ganz eindeutig im ‘linken’ Lager positioniert war (Fortschrittspartei, DDP, DStP). Erst die FDP hat versucht, Rechts- und Linksliberale unter einem Dach zusammenzuführen. Keine einfache Aufgabe angesichts der antidemokratischen Tradition der Rechtsliberalen und ihrer in manchen Bundesländern offenbaren Funktion als Auffangpartei ehem. Nationalsozialisten. Mitlerweile sind die meisten Linksliberalen zu Grünen und SPD abgewandert. Einige herausragende sind der FDP geblieben (Baum, Hirsch, Schnarri und bis zum Möllemann-Ausfall: Hamm-Brücher). Willst Du denen den Liberalismus absprechen?
28. February 2010 at 14:55
euckenserbe
Wer sich für liberal hält, ist es noch lange nicht. Liberalismus und jedes Attribut der politischen Gesässdemokratie sind unüberbrückbare Widersprüche.
28. February 2010 at 19:07
Sesalm
Nope. Seit ihrer Genese hat sich der organisierte Liberalismus stets innerhalb der ‘Gesäßdemokratie’ positioniert. Es gibt sogar Länder, in denen Liberale den Namen “Linke” tragen. Aber das übersteigt wahrscheinlich Deine Kenntnisse. Die Arroganz, bedeutenden Persönlichkeiten des Liberalismus ihr Liberal-Sein abzusprechen, ist amüsant 😉
28. February 2010 at 23:55
euckenserbe
Hier geht es nicht um den Begriff des Liberalismus, den irgendwelche Organisationen definiert haben. Organisation und Liberalismus ist ohnehin ein unauflösbarer Widerspruch in sich.
Der Konsens von nationalliberalen, linksliberalen, sozialliberalen und rechtsliberalen mag ein operationales Organisationsziel hervorbringen. Das steht aber im Gegensatz zum intellektuellen Konzept des Liberalismus, mit dem abstrakte und konkrete Ziele nicht vereinbar sind.
1. March 2010 at 21:00
Sesalm
Na wenn Organisation und Liberalismus ein “unauflösbarer Widerspruch” sind, dann wohl auch Gesellschaft und Liberalismus. Schwebt der Liberalismus aber im ziemlich luftleeren Raum – mit Menschen hätte so einer Ideologie dann jedenfalls nichts zu tun. Denn menschliche Gesellschaft, zumal unsere modernen Massengesellschaften sind ohne Organisation gar nicht denkbar. Wer die fundamentale Frage: wie sollen wir leben? (sprich: wie soll unsere Gesellschaft organisiert sein?) nicht beantworten kann, der leistet auch keinen sinnhaften Beitrag zu irgendeiner Diskussion.
Ganz im Gegensatz zu dieser Berufung auf einen “unauflösbaren Widerspruch” steht die Tradition liberaler Parteien. Wären die wirklich liberal, müssten die sich ja selbst auflösen. Vielleicht schreibt euckenserbe mal der FDP 😉 Time to auflös…
2. March 2010 at 09:18
euckenserbe
Das ist das Grundproblem des Nichtliberalen, dass er sich ein Leben ohne fremdbestimmte Zielvorgaben nicht vorstellen kann. Auch ist der Liberalismus keine “Ideologie”, weil er eben keine eigenen Ziele kennt, sondern dem Menschen die eigene Zielerfüllung ermöglichen will.
Der Liberalismus setzt nicht auf Organisation mit gemeinschaftlicher Zielerfüllung. Sondern auf Ordnung mit negativen Regeln zum Schutz der Freiheit des einzelnen zur eigenen Zielerfüllung. Innerhalb einer solchen Ordnung sind natürlich freiwillige Organisationen möglich und auch teilweise nötig, die ihrerseits innerhalb einer freiheitlichen Ordnung ihre Ziele verwirklichen. Ein Beispiel dafür ist nicht nur die FDP sondern auch das Konzept des Kibbuz, das ja deFacto den Sozialismus unter der Bedingung der Freiwilligkeit definiert.
Ob eine liberale Organisation widersprüchlich ist, hängt davon ab, wie liberal sie bleiben.
2. March 2010 at 16:24
Donauwelle
Das würde erklären warum sich der Champ der Liberalen inhaltlich so verrannt hat, weil er und seine Leute eine Industriepolitik verkaufen wollen welche in Widerspruch zu ihren eigenen Klimazielen steht. Es war ja nicht Westerwelle der entdeckt hat dass das Prinzip der Bedürftigkeitsprüfung der Dritten Säule des Islam entspricht und deswegen für Demagogie, Bürokratie und Repression wie geschaffen ist, sondern er hat die Meinungsführerschaft über das Thema nur Sarrazin abgejagt welcher in einer anderen Partei dieselben Motive dafür hatte das Recht auf Faulheit abzustreiten.
Trotz allen öffentlichen Ärgernisses scheint das wenigstens auf den letzteren positive Auswirkungen gehabt zu haben, weil der nämlich jetzt anstatt sich weiter daran abzuarbeiten in der Paparazzi-Affäre dem Auftraggeberverlag demonstrativ auf die Nase bindet mit welcher Bahn er fahren wird – eine solche liberale Leistung hätte ich dem ödipalen Nörgler gar nicht zugetraut.
3. March 2010 at 20:43
DDH
Frage mich langsam, ob große Teile der Liberalen (einschließlich der von mir geschätzten) hier nicht alle völlig in die Irre gehen, wenn da dieser AFL-Soupcon plötzlich westerwellisch Oberwasser in unserem Diskurs bekommt! Um einmal mehr Stefan Blankertz zu zitieren:
“Es ist naheliegend, daß Menschen, denen die staatlichen Interventionen in die Wirtschaft die Möglichkeit zur Arbeit genommen haben, auf Unterstützung angewiesen sind. Sie könnten sich selbst erhalten, wenn man sie nur ließe. Sie sollten für die Unterstützung, die sie erhalten, alles andere als dankbar sein. Sie sollten erzürnt sein. Aber was bleibt ihnen übrig? Sie nehmen die Unterstützung und ballen die Faust in der Tasche. Nun verkündet der schlaue konservative Politiker, es handle sich doch um arbeitsfähige Menschen, denen darum keine Unterstützung zukomme. Die Unterstützung wird gestrichen, die wirtschaftlichen Möglichkeiten verbessern sich jedoch nicht. Was soll ein Mensch in einer solchen Situation anderes tun, als Vertreter des Wohlfahrtsstaates zu wählen?” – Stefan Blankertz
Und meinen Freund Christian:
“es ist völlig absurd. hartz 4 ist das kleinste problem das deutschland hat. solange der arbeitsmarkt nicht frei ist, soll man den menschen ihr hartz 4 doch lassen. was für ein scheiss system nimmt den menschen die möglichkeit zu arbeiten und drangsaliert sie dann wegen der mickerigen ersatzleistungen?”
Und um abschließend noch Julika Hartmann von freilich.ch zu zitieren:
“Reiche werden bespitzelt, Arme in Arbeitslager geschickt. Sind nur zwei Seiten einer Medaille. Und dass die jeweils eine Seite die Drangsalierung der anderen ok findet und verteidigt, ist halt einfach nur slave on slave brutality ohne die das System zusammenbrechen würde.”
4. March 2010 at 19:18
Anarcho-Libertärer
Stimmt!