Ein NPD-Mitglied weniger. Das ist der Verdienst der in die Schlagzeilen geratenen Olympionikin Nadja Drygalla, die ihren Freund bewegte, dem organisierten Rechtsextremismus abzuschwören. Dererlei Erfolgsmeldungen kennt man von der organisierten deutschen Kriminalbürokratie nicht, die das berühmte sächsisch-thüringische Terroristen-Trio für nur 10 Jahre aus den Augen verloren, während das mordend und brandschatzend komfortabel im Wohnmobil durch die Lande zog, um seine Straftaten mit einer kleinen Radtour zu verbinden. Kein Wunder, werden die Bundes-, Landes-Kriminalämter und Verfassungsschützer doch von so veritablen Persönlichkeiten geführt wie dem Mecklenburg-Vorpommerschen Innenminister Caffier, der mit der vermeintlich relevanten Information, unsere Olympionikin habe ein rechtsradikales Umfeld, richtig professionell umging. 

Zuerst ließ er sich gerne mit der Frau fotografieren, die in ein aus Polizeimitteln des Landes finanziertes Sportförderprogramm einstieg. Als ihr noch rechtsradikaler Freund in ihrer Abwesenheit mit ihrem von der Sportförderung bereit gestelltem Auto zu einer Demonstration fuhr, wurde das Kennzeichen registriert und die Frau zur Rede gestellt, als ob sie ihm einen Streifenwagen besorgt hätte, damit er einen Bankraub begeht.

Dass wir von den zahlreichen Gesprächen, die ihr Dienstherr darauf mit ihr führte, Kenntnis haben, ist ein arbeitsrechtlicher und datenschutzrechtlicher Skandal. Aber so schaffte es der Innenminister wenigstens in die Bild-Zeitung. In das Bild passt, dass sie offensichtlich gedrängt werden sollte, ihre Liebesbeziehung für ihren Beruf zu opfern. Da stellt sich die Frage, ab wann man denn der Gesinnungsschnüffelei unterliegt. Darf man einen Klima-Skeptiker lieben oder vielleicht am IFO-Institut des Professor Sinn arbeiten, dessen Ansichten von der Bundeskanzlerin als genauso wenig “hilfreich” angesehen werden wie die von Thilo Sarrazin, der wegen seiner Privatmeinung öffentlich vom damaligen Bundespräsidenten Wulff als untragbar für die Bundesbank bezeichnet wurde?

Wie steht es mit Kleinkriminalität und Falschparken. Darf man in einem Umfeld leben, in dem sich Leute standhaft weigern GEZ-Gebühren zu zahlen. Wie ist es mit einem Bekannten, der unlängst und ohne das Zutun des Betroffenen den Salafisten nachhängt?

Ist man, wenn man solche Leute kennt oder mit ihnen in einer WG lebt, ein schlechter Polizist oder kann nicht mehr rudern? Was ist mit Geschwistern, Cousinen, Eltern, Onkeln, Tanten. Müssen die auch durch den Gesinnungs-TÜV?

Drygalla hat wohl untadelig gehandelt. In so einem Verein würde ich ungern Mitglied bleiben, weil der doch allzu reflexhaft handelt.

Kurios nur, dass der Verfassungsminister aus Mecklenburg seine schweren Bedenken für sich behielt und nicht etwa auch noch das olympische Kommitee informierte. Am besten wäre doch wohl eine Pressemitteilung in dem Sinne: Nach umfangreichen Gesprächen hat Drygalla den Polizeidienst freiwillig verlassen. Der Innenminister begrüßt diese Entscheidung, um Druck von der Trachtengruppe zu nehmen.

Aber nichts dergleichen. Gemeinsam mit dem vermutlich tatsächlich ahnungslosen Ministerpräsidenten begrüßte der Innenminister pressewirksam Frau Drygalla zu einem Fototermin anlässlich ihrer Abreise zu den olympischen Spielen nach London, um keine zwei Wochen später sein Herrschaftswissen “um das rechtsextreme Umfeld ebenfalls vor laufender Kamera preiszugeben: So kommt der Provinzpolitiker wenigstens mal in die Aktuelle Kamera.

Dass die Vorsitzende des Sportausschusses des Deutschen Bundestags sich auch gleich in den Deutschlandfunk drängelt, ist ja klar. Dort werde man die ganze skandalöse Angelegenheit umgehend und eingehend prüfen, leider würde die Öffentlichkeit bei diesem Standgericht vermutlich mit den Stimmen von Schwarz-Gelb ausgeschlossen. Dass sich die bürgerlichen Politiker vermutlich getrieben von ihrer Mediengeilheit genauso prostituieren wie die FDJ-Sekretärin außer Diensten Petra Pau und jeden Menschenverstand und Anstand vermissen lassen, ist der eigentliche Skandal und geht weit über die Grenzen der guten Sitten hinaus. Er zeigt  eine weit verbreitete Orientierungslosigkeit, die die einfachsten Grundregeln eines demokratischen Rechtsstaates vermissen lässt. Statt sich zunächst einmal zu erkundigen und den Sachverhalt zu klären, wird gemutmaßt und verbreitet, was nach dem Stille-Post-Prinzip vom Hören-Sagen zufällig mitbekommen wurde.

Dass der deutsche Verteidigungsminister sich nicht zu dererlei hinreißen ließ, ist ihm hoch anzurechnen. Er fragte sich sinngemäß ob es nicht Grenzen gäbe, hinter denen die Öffentlichkeit das Privatleben eines Sportlers nichts mehr anginge, nicht ohne Drygalla seinen Respekt für das gestern veröffentlichte Interview zu zollen, in dem sie jeden Zweifel an ihrer Untadeligkeit ausräumte. Vielleicht – das ist jetzt meine Meinung – sähe die Welt anders aus, wenn man den ein oder anderen Jung-Nazi vielleicht auch als orientierungslosen Irrläufer begreift, den man mit Freundschaft und in diesem Fall Liebe wieder auf den rechten Weg bringt.

Wörtlich sagte de Maiziere in seiner gelassenen Art: “Ich glaube, in diesem Fall ist die Grenze überschritten.” Recht hat er.