Die französische Finanzministerin hat sich beklagt: Die deutsche Wirtschaft, einst angeblich der kranke Mann Europas, ist zu erfolgreich:
Deutschland habe in den vergangenen zehn Jahren seine Hausaufgaben unglaublich gut erledigt, „die Wettbewerbsfähigkeit erhöht, einen sehr hohen Druck auf seine Arbeitskosten ausgeübt“. „Wenn man sich die Lohnstückkosten anschaut, dann waren die Deutschen in dieser Hinsicht ungeheuer gut. Ich bin mir aber nicht sicher, ob das ein nachhaltiges Modell ist – langfristig und für die gesamte Gruppe. Wir brauchen offensichtlich eine bessere Angleichung.“
Ist Europa geholfen, wenn die, die besser sind, schlechter werden. Haben die Griechen, die Italiener, die Amerikaner oder die Spanier davon weniger Schulden? Wohl kaum.
Da scheint die alte französische Idee der “planification” durch, bei der der Staat durch Beteiligungen an der “Schlüsselindustrie” und die “induktive Vorgabe” von Zielen die Nationalökonomie lenkt. Das funktioniert aber nur dann, wenn der Staat mehr und es besser weiß als die Summe seiner Bürger und Unternehmen.
Genau an dieser Wissensreduktion scheitern alle plan- und zentralverwaltungswirtschaftlichen Systeme. Deshalb war die soziale Marktwirtschaft Ludwig Erhards so erfolgreich. Sie hat den Backbone der deutschen Nationalökonomie geschaffen, die Substanz von der wir noch heute leben: Den industriellen Mittelstand.
Dass einzelne Staaten der Euro-Zone ein dauerhaftes Aussenwirtschaftssaldo haben, liegt nicht an den relativ schlechten Deutschen. Sondern daran, dass sie noch schlechter und noch weniger attraktiv sind. Davon, dass Deutschland noch mehr Schulden macht, bekommen die anderen nicht weniger.
Die Beziehungen zwischen den Staaten ist auch nicht statisch und deterministisch, wie die Ministerin impliziert. Nur weil die Griechen mehr von den Deutschen kaufen, als die dort im Urlaub ausgeben, müssen sie kein negatives Handelsbilanzdefizit haben. Schließlich gibt es noch ein paar hundert weitere Länder, mit denen sie Handel treiben könnten, wenn sie etwas anzubieten hätten, was dort nachgefragt wird.
Natürlich hat Deutschland vom Euro profitiert. Die steten Produktivitätsfortschritte der deutschen Maschinenindustrie wurden in den achtziger und neunziger Jahren durch die regelmässige Abwertung der italienischen Lira konterkariert: Die Konkurrenten aus Mailand und Turin wurden so einfach ein paar Prozent billiger. Dieser Effekt ist weg. Aber auch die anderen Länder profitieren vom Euro.
Deutschland hat einen bescheidenen Teil seiner Hausaufgaben gemacht. Die Unternehmen, die viel gescholtenen Kapitalisten, haben ihre Arbeit gemacht und durch Produktivitätssteigerungen den Anstieg der Arbeitskosten ausgeglichen, der seit geraumer Zeit nicht mehr ausreichend denjenigen erreichen, der sie erwirtschaftet, sondern im Sozialstaat verschwindet.
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16. March 2010 at 15:52
Donauwelle
Endlich wird das Modell Exportnation mit der Sinnfrage konfrontiert. Die Vorstellung, ganz Europa solle sich das überholte Selbstverständnis der deutschen Industriegesellschaften zu eigen machen, läuft darauf hinaus, die Stabilität der Geldwirtschaft von Defizitnationen außerhalb des Währungsraums abhängig zu machen, die aus welchen Motiven auch immer dazu bereit sind die Überschüsse aufzukaufen. Stärker noch als die Abhängigkeit von den Ländern welche gleichmäßig große Teile der Exporte absorbieren ist hierbei die von denjenigen welche als Wachstumsmärkte gelten, auch dann wenn sie gegenwärtig erst einen Bruchteil davon aufnehmen – mit solchen Folgen wie etwa der marktwirtschaftlichen Appeasementpolitik im Spannungsfeld zwischen den USA (Großkunde) und Persien (Wachstumsmarkt). Das Beispiel deutet bereits darauf hin dass Defizitnationen tatsächlich nur wider Willen solche sind und nicht dauerhaft in dieser Rolle verbleiben wollen. Ohne kompensierende Defizitnationen kann es allerdings auch keine florierenden Exportnationen geben. Europa kann daher nicht an einer Wirtschaftsordnung interessiert sein, welche auf dem Prinzip beruht sich gegenseitig die Defizite zuschieben zu wollen, in derartigen Verteilungskämpfen dürfte es recht schnell zerrissen werden, nicht zuletzt weil der “kranke Mann vom Rhein” mehr noch an einer Entscheidungs- als an einer Konditionsschwäche leidet. Doch auch im Hinblick auf letztere sind die Frühindikatoren eindeutig.